: Bundeswehr verpennt REP-Einsatz
■ Disziplinarverfahren gegen rechtsradikalen Bundeswehr-Lehrer erst nach vier Jahren eingeleitet / Ermittlungen gegen Soldaten auch in Oldenburg und Delmenhorst mit jahrelanger Verspätung
Demokratische Disziplin bei der Bundeswehr scheint zeitraubend zu sein: Die Vorlaufzeit beträgt drei Jahre und neun Monate. Solange brauchte es von der öffentlichen Enttarnung eines rechtsradikalen Lehrers an der Bremer Bundeswehr-Fachschule bis zur Einleitung von disziplinarischen Maßnahmen.
Im April 1994 berichtete die taz mehrfach über die rechtsradikalen Umtriebe von Reinhard Willnow, Lehrer für Deutsch und Geschichte an der Scharnhorst-Kaserne. Nach damaliger Recherchen tat sich Willnow nicht nur als Sprecher der Bremer „Republikaner“hervor, auch im Unterricht habe er mit Reden über die Nicht-Existenz von Konzentrationslagern geglänzt. Der Rechtsausleger diskutierte zudem, „wie man nationaldemokratisches Gedankengut in die Bundeswehr bringen könnte“.
Wegen seiner Tätigkeit für die Republikaner wird er jetzt belangt. Letzte Woche zitierte ihn die Wehrbereichsverwaltung zu einem Disziplinargespräch. Und das geschah wegen neuer rechtlicher Grundlagen, so die Sprecherin der Wehrbereichsverwaltung, Sabine Grohmann: „Die Republikaner wurden erst kürzlich zu einer Partei mit verfassungsfeindlichen Zielen erklärt.“Beim Bremer Verfassungsschutz weiß man davon nichts: „Als verfassungsfeindlich sind die Republikaner schon seit 1993/94 eingestuft“, so der stellvertretende Leiter Lothar Jachmann.
Laut Grohmann hat man sich zu der verspäteten Maßnahme gegen Willnow jetzt entschlossen, weil die Bundeswehr nach dem Skandal-Auftritt von Manfred Roeder vor der Hamburger Führungsakademie sensibler auf den Rechtsextremismus in der Truppe reagiere: „Wir haben die Leute natürlich schon länger im Auge.“Das Verfahren gegen den rechten Lehrer kann eineinhalb Jahre dauern und zu Disziplinarmaßnahmen von Geldstrafen bis zum Rauswurf führen – „ob die Parteizugehörigkeit dazu ausreicht, wird sich jetzt herausstellen“, so Sprecherin Grohmann. Willnow selbst oder seine unmittelbaren Vorgesetzten wollten sich zu dem Vorfall in keiner Weise äußern.
Die innenpolitischen Sprecher der Bremer Bürgerschaftsfraktionen zeigten bei der Bewertung des Falles gestern Zurückhaltung. Ein Berufsverbot allein wegen Willnows Parteizugehörigkeit bei den Republikanern wollten Volker Kröning (SPD) und Martin Thomas (Grüne) nicht fordern: „Entscheidend ist das konkrete Verhalten“, so unisono die Politiker. Und Wedige von der Schulenburg (CDU) sagte zögernd: „Wer weiß, ob da nicht einfach kleine Denunzianten oder Racheakte eine Rolle spielen.“Merkwürdig fanden Bremens Innenpolitiker immerhin das lange Zögern der Bundeswehr in der Angelegenheit.
Unterdessen ermittelt die Staatsanwaltschaft Oldenburg gegen sechs Soldaten der Vareler Frieslandkaserne, bestätigte Oberstaatsanwalt Gerhard Kayser. Ihnen wird Volksverhetzung vorgeworfen, zudem sollen sie Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen benutzt haben. Das Batallion war Ende Dezember in die Schlagzeilen geraten, als Ex-Rekruten von alltäglichem Rassismus und einem Klima der Angst gesprochen hatten. Obendrein wird jetzt in zwei Delmenhorster Kasernen gegen Unbekannt ermittelt. Dort sollen Bundeswehrler – das ebenfalls schon vor einigen Jahren – rechtsradikale Lieder gesungen haben. Auch dort wird das zuständige Wehrbereichskommando Hannover erst jetzt tätig. ritz/Jeti
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