■ Kommentar: Gelöbnis als Nagelprobe
Alle zwei Wochen wieder wird in Berlin derzeit die Frage nach dem Fortbestand der Großen Koalition gestellt. Jüngster Anlaß für solcherlei Spekulationen: Der Streit zwischen Diepgen und der SPD über ein öffentliches Rekrutengelöbnis am 13. August am Roten Rathaus. Spätestens am Donnerstag abend wird sich aber auch dieser Zwist als das erweisen, was Berliner Koalitionsgeplänkel bis zur Wahl 1999 bleiben werden: Stürme im Wasserglas. Um so richtiger ist deshalb die Haltung der Opposition, auf der eigenen Position zu bestehen, anstatt diese zugunsten einer vordergründigen Ohrfeige für Diepgen aufzugeben. Schließlich ist die Debatte um öffentliche Rekrutengelöbnisse keine Frage des richtigen Zeitpunktes und Orts, sondern eine grundsätzliche Frage, inwieweit man bereit ist, den zivilen Charakter der (West-)Berliner Nachkriegsvergangenheit zugunsten einer mehr als zweifelhaften Traditionspflege zu opfern.
Da sich die SPD für eine prinzipielle Ablehnung von Rekrutengelöbnissen aber schon aus Wahlkampfgründen nicht aussprechen wird, bleibt für die Antimilitaristen der Stadt nur eines: auf die Mobilmachung der Bundeswehr mit einer breiten Mobilisierung im öffentlichen Raum zu antworten. Eine Zustimmung zum Antrag der SPD wäre zwar ägerlich für Landowsky und Diepgen, aber noch ärgerlicher für die in Berlin noch immer vorhandene antimilitaristische Bewegung. Uwe Rada
Bericht Seite 22
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