: Zu Tisch am Hofstaat K.
■ Wie Helmut Kohl Hessens Regierungschef von einer Feier bei Opel auslud. Alles wegen Nougat?
Frankfurt/Main (taz) – „Wir haben zurückgezogen. Wir wollten Helmut Kohl einen seiner letzten öffentlichen Auftritte als Kanzler nicht vermiesen.“ Der hessische Regierungssprecher Klaus-Peter Schmidt-Deguelle feuerte eine kleine satirische Breitseite auf den Oggersheimer ab, der eigentlich ein Ludwigshafener ist und in Rüsselsheim bei Opel den Kasselaner nicht sehen wollte – den hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel (SPD). Opel und General Motors feierten gestern in Rüsselsheim die Einweihung der neuen Konzernzentrale für Deutschland und Europa. Mit Kohl ohne Eichel.
Wenn der Eichel komme, komme Kohl nicht, habe das Kanzleramt den völlig verblüfften US- Amerikaner David J. Herman, Vorstandsboß von Opel, wissen lassen. Weil dem Kanzler dann der Lachs nicht mehr schmeckt? Weil er nichts runterkriegt? Nicht mal Nougat? (Kohl: „Ich bin sterblich für Nougat.“) Eichel als Appetitverderber? Ein Brechmittel für den Kanzler? Wir wissen es nicht. Auch die Potentaten der Moderne brauchen ihr Handeln offenbar nicht zu begründen. Der Kanzler bestimmt die Richtlinien der Politik, und damit auch, wer mit ihm am Tische sitzt oder in seiner Anwesenheit sprechen darf. Eichel jedenfalls nicht.
Von Opel schon eingeladen, verzichte der Ministerpräsident auf den Besuch, um das Unternehmen nicht in eine unmögliche Entscheidungssituation hineinzutreiben, wie aus der Staatskanzlei zu hören war. Auf den Kanzler wollte David J. Herman nämlich nicht verzichten – und eigentlich auch nicht auf den Ministerpräsidenten. Es soll nicht gerade lustig gewesen sein gestern bei der Feierei, bei der Wirtschaftsminister Lothar Klemm – vom Kanzler überraschend geduldet – das Land Hessen vertreten durfte.
Das Kanzleramt dementierte gestern, daß Kohl gegenüber Opel auf der Ausladung von Eichel bestanden habe. Die Staatskanzlei in Wiesbaden bestätigte dagegen den Sachverhalt erneut, auch unter Berufung auf Opel. Der Kanzler habe das vor zwei Jahren schon einmal versucht, sei damals aber noch abgeblockt worden, sagte Schmidt- Deguelle. Und heute? Ist Kohl in anderer Verfassung: ein waidwund geschossener Elefantenbulle im Wahlkampf. Da darf ihm kein Rivale zu nahe kommen. Klaus-Peter Klingelschmitt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen