: Die seriöse Techno-Abfahrt
In die Jahre gekommen: Der Tresor feiert siebten Geburtstag und schert sich nicht um Trends. Techno, Techno, Techno heißt nach wie vor die Mutter aller Tanzfreuden ■ Von Tobias Rapp
War man am Türsteher vorbei, ging es durch einen Raum mit schäbigen Sofas und dann eine Treppe runter. An den Dealern vorbei, konnte man es schon rumsen hören. Im Flur suchten irgendwelche Raver im Matsch ihre Pillen, andere blickten starr die unverputzten Wände an. Dann ging es hinein in den Tanzraum. Schwitzwasser tropfte von den alten Tresorfächern, das Bier wurde zwischen Gitterstäben durchgereicht, und die Tanzfläche konnte man vor lauter Nebel nicht sehen, nur das Dauerfeuer der Stroboskopblitze. Der DJ steckte von Kopf bis Fuß in Tarnklamotten, und die Musik war neu und böse.
So war das damals, im Frühjahr 1991, und die, die mal da waren, werden es noch ihren Enkelkindern erzählen: Der Techno-Gründer-Mythos. Noch legendärer als die erste Love Parade, weil zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht den unwissenden Massen in die Hände gefallen. Und der Tresor war bald nicht mehr allein in der Berliner Mitte. Mit dem Elektro, dem WMF, dem Friseur, nach einer Weile auch dem E-Werk und dem Blumenladen gab es rasch noch einige Läden mehr, die das Erstaunen über ihre eigene Existenz ausdrückten durch eine Namensgebung, die mit der Geschichte der genutzten Räume kokettierte. So wie der Tresor mit seinen Wertheim-Stahlkammern. Rund um den U-Bahnhof Mohrenstraße war nach Mitternacht mehr los als tagsüber.
Das ist nun eine ganze Weile her. Jetzt wird der Tresor sieben Jahre alt, und er ist der letzte noch verbliebene Club in der Gegend. Nicht einmal die Nachbarn von der Treuhandanstalt schräg gegenüber gibt es mehr. Am Erfolgsrezept hat der Tresor allerdings nichts geändert. Das heißt nach wie vor: Techno, Techno, Techno. Der Tresor hält sich auch nach sieben Jahren an den Sound, den der Club und das eigene Plattenlabel mitgeprägt haben – also keine musikalischen Experimente, aber hoher Standard. Mit Headquarters gibt es auch eine Dem-Nachwuchs-eine-Chance-Reihe, sowohl im Club als auch auf Platte. Aber wer den aufregenden neuen Sound will, sucht dort vergeblich: Eher arbeitet man sich ab am Übervater aller Techno-DJs, dem Detroiter Underground-Resistance-Mitbegründer Jeff Mills. Mills und Underground Resistance, deren Namen noch immer von den verwaschenen Pullovern des einen oder anderen Veteranen leuchten, geben sich heute noch im Tresor die Ehre, ebenso wie Juan Atkins oder Joey Beltram.
Diese Sturheit macht den Erfolg des Tresors aus – Ausverkaufsvorwürfe waren in der Leipziger Straße nie zu hören. Wer hierherkommt, der weiß, was er will, und bekommt es auch: die seriöse Techno-Abfahrt.
Samstag, Globus: A + V Team, Blake Baxter (Detroit)/Tresor: Joey Beltram (New York), Cisco Ferreira + Collin Mc Bean (London); Leipziger Straße 126a
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen