Kommentar: Willkommen im Osten!
■ Die PDS will mit Halbprominenten in den Bundestag
Monatelang hat die PDS einen Kandidaten für den symbolträchtigen Wahlkreis in der Mitte der deutschen Hauptstadt gesucht. Links sollte er sein, jung und doch erfahren, intellektuell und basisnah, kulturell und sozial engagiert, die alten Parteikader in Mitte sollte er ebenso überzeugen wie die jungen Szenetypen im Prenzlauer Berg, ein idealtypischer PDS-Kandidat sozusagen. Und jetzt das: Elmar Schmähling. Er ist in jeder Beziehung das ganze Gegenteil eines idealen Kandidaten.
Man kann das Problem ganz simpel formulieren: Was, bitte schön, hat Elmar Schmähling mit der PDS zu schaffen und was die PDS mit ihm? Man wird nicht eine einzige Antwort finden, die einen halbwegs intelligenten Menschen überzeugt. Ganz zu schweigen von nebensächlichen Dingen: Schmähling kennt weder Berlin noch seinen Wahlkreis, und er redet über den Osten, als lebten dort nur Arbeitslose, Arme und Behinderte; wahrscheinlich alles Opfer eines Bombenangriffs der von ihm so kritisierten Bundeswehr. Vielleicht denkt Schmähling ja, er müsse so reden, jetzt, da er für die PDS antritt. Man weiß gar nicht, wofür man die PDS-Führung mehr bedauern soll: daß sie Schmähling überhaupt nominiert hat oder daß sie auch noch daran glaubt, den richtigen Kandidaten gefunden zu haben.
Schmählings Kandidatur steht für ein sehr grundsätzliches Problem der Partei. Mit prominenten Persönlichkeiten von außen will die PDS Zeichen über ihre Partei hinaus setzen, will sie den Westen erobern, will sie zeigen, daß sie mehr ist als eine Partei für den entrechteten Osten. Aber dieses Konzept der offenen Liste ist mittlerweile zur bloßen Pose verkommen. Gysis bunte Truppe ist grau geworden und nur noch ein zusammengewürfelter Haufen von irgendwelchen Halbprominenten. Politisch haben sie der Partei nichts zu geben. Sie können nicht verhindern, daß die PDS in den Osten zurückfällt. Wer Leute wie „Täve“ Schur überredet, in die Politik zu gehen, der muß sich nicht wundern, daß die PDS mehr als Verein zur Heimat- und Traditionspflege wahrgenommen wird und nicht als eine politische Partei.
Gregor Gysi sah die PDS vor ein paar Monaten am Scheideweg. Sie verschleudere ihr Potential, so der Star der Partei, sie sei konservativ und beschäftige sich fast nur noch mit sich selbst. Gysi forderte einen Kultursprung. Gesprungen ist die PDS – nach hinten. Willkommen im Osten! Jens König
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