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Hanf im Trunk bringt Stunk

Die Berliner Bier-Company darf ihr Gebräu „turn.“ nicht mehr für den deutschen Markt produzieren, wenn es nach dem Willen des Brauer-Bundes geht  ■ Von Volker Wartmann

No „turn.“ any more? Der Bier- Company, der kleinen innovativen Brauerei in Kreuzberg, steht existenzgefährdender Ärger ins Haus: Der Deutsche Brauer-Bund e.V., das Gesundheitsministerium und die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. wollen die Herstellung und den Vertrieb des bestgehenden Produktes des jungen Unternehmens unterbinden. Die Rede ist von „turn.“ „Turn.“ sieht wie Bier aus und schmeckt fast wie Bier, ist aber keins und darf nicht als solches bezeichnet werden, weil es nicht nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut ist. „Turn.“ wird von seinen Herstellern darum auch gesetzestreu als alkoholhaltiger Trunk mit Hanfblüten und nicht als Hanfbier bezeichnet. Die Zutaten in diesem Getränk sind neben Wasser, Hopfen und Malz THC-arme Hanfblüten, die dem Trunk seinen spezifischen Geschmack verleihen.

Der Deutsche Brauer-Bund und seine Mitstreiter begründen ihr Vorgehen gegen die Bier-Company wie folgt: Obwohl „turn.“ nicht als Bier bezeichnet werde, handle es sich „im naturwissenschaftlichen Sinn“ doch um ein Bier. Und in Deutschland für den deutschen Markt produziertes Bier müsse dem Reinheitsgebot entsprechen. Asbjörn Gerlach, einer der drei Betreiber der Bier- Company, versteht die Welt nicht mehr: „Wir tun doch nichts Verbotenes. Die gesetzlichen Grundlagen bieten ausreichend Spielraum für die Duldung unseres Produktes.“ Der „Begriff Bier“ ist seiner Ansicht nach „ausschließlich ein Bezeichnungsschutz und kein Herstellungsschutz“. Er fühlt sich „als Opfer einer Verschwörung auf höchster wirtschaftlicher und politischer Ebene gegen den Rohstoff Hanf“. Für Braumeister Gerlach ist die Vorgehensweise der konservativen Bierlobby scheinheilig: „Die Diskussion um die Nichteinhaltung des Reinheitsgebotes ist doch nur vorgeschoben. Wenn wir ein Kirschbier brauen würden, würde man uns wahrscheinlich ignorieren. Daß man Bier und Hanf miteinander in Verbindung bringen könnte, macht bestimmten Leuten Sorgen.“

Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales wird gegen die Bier-Company auf Betreiben des Deutschen Brauer-Bundes in den nächsten Tagen voraussichtlich eine einstweilige Verfügung erlassen, die dem Kreuzberger Unternehmen die weitere Produktion ihres Hanftrunkes untersagt. „Gegen diesen Erlaß werden wir dann selbstverständlich vorgehen. Aber bis zu einem endgültigen Gerichtsentscheid können Jahre vergehen“, so Gerlach.

100.000 Liter „turn.“ wurden 1997 gebraut, dieses Jahr sind eigentlich 300.000 Liter geplant. Rund 70 Prozent ihres Umsatzes verdankt die kleine Kreuzberger Brauerei mit angeschlossenem Heimbrauzubehörshop ihrem Hanftrunk. Das Hanfgebräu wird fast bundesweit vertrieben und inzwischen auch nach England und Dänemark exportiert. „Wir haben innerhalb kürzester Zeit außer unseren eigenen drei Arbeitsplätzen drei weitere feste Arbeitsplätze geschaffen“, sagt Gerlach. „In den nächsten Wochen wollten wir noch drei weitere Arbeitnehmer einstellen. Doch wenn uns die Behörden die Produktion von ,turn.‘ untersagen, wird das nicht möglich sein.“

Zur Zeit sind in Deutschland mehrere Hanfgetränke von ausländischen Brauereien erhältlich, die nach dem gleichen Brauverfahren wie „turn.“ gebraut und hierher exportiert werden. Würde die Bier-Company ihren Hanftrunk im Ausland brauen lassen und dann nach Deutschland einführen, gäbe es keine juristischen Probleme. „Wir wollen aber weiter hier produzieren und hier Arbeitsplätze erhalten und schaffen“, so Gerlach. „Für Bierfreunde in der gesamten Republik ist unsere Spezialitätenbrauerei inzwischen eine feste Institution geworden.“

In ihrer Notsituation haben sich die drei jungen Braumeister in einem offenen Brief hilfesuchend an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, den Bundeswirtschaftsminister und den Bundespräsidenten gewandt und um deren Unterstützung gebeten. Die Antworten aus dem Hause der drei hohen Herren stehen noch aus.

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