Zur Bundestagswahl: Schülerliebling SPD
■ Schulzentrum in Tenever simulierte Bundestagswahl / 74 Prozent wählten
„Scheiße, fünf Mark für'n Liter Benzin!“Der Schüler mit dem Autofahrerherz befürchtet Schlimmes: Auf 15,7 Prozent würden die Grünen kommen, wenn jetzt Bundestagswahlen wären – allerdings nicht bundesweit, sondern nur bei den MitschülerInnen des Autofahrers vom Schulzentrum Walliser Straße in Osterholz-Tenever. Die hatten nämlich diese Woche „Unsere Schule wählt den Bundestag“gespielt.
Die Lehrer Bodo Walkenhorst und Wolfram Stein hatten zusammen mit ihren SchülerInnen das Projekt gestartet. „Tenever ist der ärmste Ortsteil Bremens, die Wahlbeteiligung gering“, beschreibt Politiklehrer Stein die Lage im Stadtteil. Um Interesse zu wecken, wollten sie eine richtige Wahl veranstalten: Mit Urnen, Stimmzetteln und freiwilliger Beteiligung. Diese lag mit knapp 74 Prozent immerhin um etwa sechs Prozent über der des Stadtteils bei den Wahlen 1994.
Vielleicht die größte Überraschung bei der Mini-Wahl: Mit 51,5 Prozent erringt die SPD die absolute Mehrheit. „Viele von uns fürchten, keinen Job zu kriegen. Und die SPD gilt eben immer noch als Arbeiterpartei“, versuchte der 18jährige Errol Yangin eine Erklärung. Er ist einer von rund 120 AusländerInnen in der Schule, die hier – im Gegensatz zur Bundestagswahl – mitstimmen durften. Auch die unter 18jährigen durften teilnehmen.
Herabsetzung des Wahlalters auch für die Bonner Wahl? Selbst der Schüler-Union-Aktivist Christian Conreder findet die Idee „gut“, sieht „aber auch Gefahren“. Zum Sieg der SPD meint der 16jährige: „Das ist nicht gerade schön, aber vielleicht liegt das auch an meiner Partei.“
Die CDU konnte nämlich nur 16,3 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen und lag damit nur knapp vor den Grünen. Auf den Plätzen vier und fünf: FDP und Republikaner mit jeweils genau fünf Prozent.
Um auch Entwicklungen im Abstimmungsverhalten zu berücksichtigen, soll die Schülerschaft vor den „echten“Wahlen noch zwei weitere Male an die (Schul-)Urnen treten. Die Grünen dürfen also noch hoffen, daß wenigstens beim nächsten Mal andere Themen als ausgerechnet eine Benzinpreiserhöhung in der Diskussion sind. André Anchuelo
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