piwik no script img

Schwabe Kinkel baut Stein auf Stein fürs Teehäuschen

■ Grundsteinlegung für den gläsernen Erweiterungsbau des Außenministeriums am Schloßplatz

Ein beinahe schon gewohnter Anblick, die alte Nazifassade der Reichsbank und des späteren Sitzes des Zentralkomitees der SED, wird am Werderschen Markt bald nicht mehr zu sehen sein. Denn mit der Grundsteinlegung für die Erweiterung des Außenministeriums (AA) beginnt seit gestern der Bau von „Kinkels Teehäuschen“ vor der „Festung Honeckers“.

Klein wird das „Teehäuschen“ indes nicht: Der Erweiterungsbau des Auswärtigen Amtes für 800 der rund 2.000 AA-Mitarbeiter ist neben dem Kanzleramt das umfangreichste Bauvorhaben der Bundesregierung. Hinter dem neuen, 17.000 Quadratmeter großen Glaskasten der Architekten Müller/Reinmann wird bis 1999 die Frontseite der Reichsbank, dem Hauptsitz Kinkels, dann regelrecht verschwunden sein.

Für Außenminister Klaus Kinkel (FDP) und Bundesbauminister Eduard Oswald (CSU) bedeutet der Erweiterungsbau ein „Symbol der Offenheit“ des Außenamtes. Das neue Gebäude mit seinen drei großen Höfen bilde zum einen „einen architektonischen Kontrast zur denkmalgeschützten ehemaligen Reichsbank“, sagte Kinkel gestern bei der Grundsteinlegung. Zum anderen werde durch die „Transparenz des Erweiterungsbaus ein offenes, der Stadt und den Bürgern zugewandtes Ministerium“ entstehen.

Kinkel selbst hatte sich für den Standort und den Entwurf der Berliner Architekten Müller/Reimann stark gemacht. Diese hatten beim Bauwettbewerb 1996 hinter Max Dudler nur den zweiten Rang belegt. Da Dudlers Plan umstritten war, wurden Müller/Reimann aufs Schild gehoben. Das 168 Millionen Mark teure Konzept sieht einen rechteckigen Bau vor, in den große, begrünte Höfe hineinführen, die von Glasfassaden geschützt werden. Der nördliche Lichthof, sagte Ivan Reimann der taz, beziehe den Stadtraum zur Friedrichs-Werderschen Kirche mit ein und sei auch als öffentlicher, überdachter Platz unter anderem für Veranstaltungen nutzbar. Der zweite, östliche Hof umschließe den Bibliothekstrakt. Der südliche Hof bilde das Entree des Gebäudes. Insgesamt kosten der Neubau und die Altbausanierung 545 Millionen Mark. Das alte Reichsbankgebäude mit einer Fläche von 60.000 Quadratmetern wird seit Sommer 1996 nach den Plänen des Architekten Hans Kollhoff umgebaut. In der Vergangenheit hatte es nicht nur wegen des Entwurfs Streit über das Außenamt gegeben. Als die Reichsbank als Standort des Wirtschaftsministeriums oder als Sitz des Innenministers ins Gespräch gebracht wurde, pochte Klaus Kinkel auf den repräsentativen Platz in der Stadtmitte. Der Schloßplatz, so der Außenminister, sei gerade gut genug für das Auswärtige Amt mit seiner 128jährigen Geschichte.

Kritik an der Neubauentscheidung übten auch Landschafts- und Stadtplaner, die das Ende der grünen Schneise zwischen Spittelmarkt und Werderschem Markt beklagen. Neben dem Außenamt sollen auf der breiten Grünfläche zahlreiche Gebäudeblöcke für Büros und Wohnungen entstehen. Diese würden das gläserne Teehäuschen Kinkels mit steinerner Wucht bedrängen. Rolf Lautenschläger

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen