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Landesparteitage als Kampfplatz

■ Lafontaine bezichtigt Kohl einer Politik á la Guildo Horn. Kanzler schmäht Gerhard Schröders Versagen bei „Schicksalsfragen“ der Nation

Darmstadt/Berlin (taz/AP) – Der hessische Landesparteitag zur Aufstellung der Listen zur Bundestagswahl sollte einer der „neuen SPD“ sein. So betonte es Parteichef Oskar Lafontaine als Gastredner. Im sozialdemokratische Zeitalter nach Kohl werde „Schluß gemacht“ mit der „Guildo-Horn-Politik“ der Bundesregierung. Deren Grundsatz laute: „Piep, piep, piep – habt die Unternehmer lieb.“ Tatsächlich habe Kohl die Menschen immer wieder „getäuscht und belogen“, sagte Lafontaine.

Der Parteivorsitzende, der sich dafür aussprach, „in kleinen Schritten den Energieverbrauch zu besteuern“, warnte die Genossen dennoch davor, das „Fell des Bären“ zu früh zu verteilen: „Erst muß der Bär einmal erlegt werden – im September.“ Die 323 Delegierten belohnten Lanfontaine mit Standing ovations – Spitzenkandidatin Heidemarie Wieczorek-Zeul bedachte den Parteichef mit einem Küßchen. 86 Prozent der Stimmen brachten Wieczorek-Zeul auf Platz eins der Landesliste. Auf Platz zwei landete der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bau, Agrar und Umwelt, Klaus Wiesehügel. Anders als das große Vorbild „New Labour“, das sich von den Gewerkschaften abnabelte, verzahnt sich die deutsche Sozialdemokratie enger mit den Gewerkschaften. Die Delegierten votierten einen Gewerkschaftsbeirat herbei, der die Landes-SPD „in allen ArbeitnehmerInnen betreffenden Fragen“ beraten soll.

Unterdessen griff Bundeskanzler Helmut Kohl beim Landesparteitag der nordrhein-westfälischen CDU in Neuss seinen Konkurrenten um die Kanzlerschaft scharf an. Gerhard Schröder habe bei den drei wichtigsten Schicksalsfragen Deutschlands in den letzten 15 Jahren versagt: bei der deutschen Einheit, beim Nato-Doppelbeschluß und jetzt wieder beim Euro.

Kohl sagte auf dem Parteitag unter dem Motto „Zukunft schafft man nicht mit links“, der SPD- Kanzlerkandidat verspreche heute, den Aufbau Ost zur Chefsache zu machen. Doch vor neun Jahren habe er die Vereinigungspolitik der Union als reaktionär und hochgradig gefährlich bezeichnet. Im Bundesrat habe er gegen die Wirtschafts- und Währungsunion gestimmt. „Ich finde es erbärmlich“, sagte Kohl und forderte: „Wir müssen Rot-Grün schlagen.“ CDU und CSU seien immer dann erfolgreich gewesen, wenn sie sich einig gewesen seien, sagte Kohl. Seine Partei hat eine mehrere Wochen dauernde Auseinandersetzung um Programm und Personen hinter sich, die zuletzt sogar in Spekulationen um die Ablösung Kohls mündeten.

Der Landesvorsitzende und Bundesarbeitsminister Norbert Blüm warnte vor den 656 Delegierten, Schröders Botschaft „Ich bin bereit“ Glauben zu schenken. „Die süddeutsche Klassenlotterie ist berechenbarer als die sozialdemokratische Steuerpolitik“, kritisierte Blüm. Das SPD-Wahlprogramm gleiche mit seinen Versprechungen einem Märchen für politische Kleinkinder.

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