JVA-Prozeß der Zweite: Tritte und Schläge gegen Häftlinge
■ JVA-Prozeß wegen Mißhandlungen Klink als Schöffe
Eine Frotzelei gegen den ehemaligen Vulkan-Chef Friedrich Hennemann auf dem Freistundenhof der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen hatte laut Anklageschrift für einen Häftling schlimme Folgen. Um ihn zur Räson zu bringen, versetzte der Beamte Jürgen N. dem Häftling laut Anklage Tritte in den Bauch und in die Nieren. Die Beamtin Sandra B. schlug den Mann nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft mit dem Funkgerät und kratzte ihn am Hals. Der Mann trug Kratzspuren davon, die noch ein Jahr später, bei Anklageerhebung, sichtbar waren. Unter anderem wegen dieses Vorfalls müssen sich seit gestern neun Beamte der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen vor dem Bremer Amtsgericht wegen Körperverletzung im Amt verantworten. Ob sie tatsächlich schuldig sind, soll neben den zwei Berufsrichtern auch ein prominenter Bremer herausfinden. Dieter Klink, ehemaliger Präsident der Bremischen Bürgerschaft, sitzt als Schöffe auf der Richterbank.
Staatsanwalt Uwe Picard zeichnete gestern bei Anklageverlesung das düstere Bild einer Schicht, die die ihnen anvertrauten Häftlinge wegen Kleinigkeiten zum Teil schwer mißhandelte. Im Januar 1996 schlugen laut Anklage beispielsweise sieben Beamte mit Schlagstöcken auf den Häftling Hakki B. ein. Sie trafen den Mann auf den Kopf und Krücken. „Jetzt gehst du ab, du blöde Sau“, soll der Beamte Jürgen N. dabei geschrien haben. Die Beamten zogen den Mann gewaltsam aus und brachten ihn in die sogenannte Verwahrzelle, um ihn ruhigzustellen. Als der Mann dennoch das Notlicht drückte, zerrten die Beamten ihn laut Anklageschrift auf den Flur und prügelten wieder auf ihn ein, und zwar solange, bis Hakki B. zusammensackte. Danach brachten sie den Mann in die Bettfessel, wo Hakki B. mit Hand- und Fußschellen gefesselt wurde.
Sandra B. und Jürgen N. gelten als Drahtzieher der Mißhandlungen. Jürgen N. werden zwölf Straftaten zur Last gelegt, Sandra B. sieben. Auch der ehemalige Leiter der Schicht, Rolf S., steht vor Gericht. Ihm wird Körperverletzung in drei Fällen zur Last gelegt. In Zeugenaussagen vor dem Untersuchungsausschuß, der sich ebenfalls mit den Mißständen in der JVA befaßt, wurde Rolf S. als führungsschwacher Vorgesetzter beschrieben. Jürgen N. galt als heimlicher Schichtleiter. Dieser Eindruck wird durch eine Äußerung untermauert, die Jürgen N. laut Anklageschrift gegenüber einem Häftling gemacht haben soll. „Ich bin hier der Chef im Haus. Ich kann mit dir machen, was ich will“, soll Jürgen N. einen Häftling angeschrien und ihn ins Gesicht geschlagen haben. Ein anderes Mal würgte Jürgen N. einen Häftling laut Ermittlungsakte solange bis dieser zusammensackte. Ein Häftling, der die Notglocke gedrückt hatte, soll von Jürgen N. derart geschlagen worden sein, daß er einen Zahn verlor. Als zwei Insassen der JVA in eine andere Zelle umziehen sollten, wurde einer der Häftlinge laut Anklage von Beamten an seinem Zopf durch den Flur gezerrt, so daß ihm Haare ausgerissen wurden.
Die angeklagten Beamten wollten sich gestern noch nicht zur Sache äußern. Sie kündigten allerdings an, in der nächsten Woche umfassende Aussagen zu machen. kes
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