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„Das bin ich gar nicht“

Das neue Bürgerschaftshandbuch und wie PolitikerInnen verhindern können, daß das gemeine Volk sie erkennt. Vier Beispiele  ■ Von Silke Mertins

Das neue Bürgerschaftshandbuch ist da. Schlimmer noch: Bürgerschaftspräsidentin Ute Pape (SPD) schreibt in ihrem Vorwort an die „lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger“, daß die Abgeordneten auf „die Unterstützung“des Volkes angewiesen seien. Das hübsche bunte Büchlein mit den vielen Fotos solle helfen, den richtigen Volksvertreter rauszusuchen, „wenn Sie Ihre Meinung sagen wollen oder wenn Sie bei einem bestimmten Problem Rat, Hilfe oder Initiative erwarten“.

Hilfe! Hilfe! Hilfe! durchfährt es die armen ParlamentarierInnen. Rette sich vor dem Bürger, wer kann! Soweit kommt es noch, daß man nichtsahnend in der Supermarktschlange steht, womöglich die Praline im Einkaufswagen liegen hat, und da kommt so ein Bürger daher und will über den Rückbau von Busbuchten reden.

Wer kein Parlamentsneuling ist, weiß natürlich Rat. Um den Versuch, zusammenzubringen, was nun mal nicht zusammengehört, zu vereiteln, reicht es, nicht erkannt zu werden. Und je größer das Verlangen nach kommunikativer Unversehrtheit, desto toller das Photo. Spitzenreiter ist die Ilja-Richter-Imitation auf Seite 36: ein Jugendfoto des inzwischen 56jährigen Karl-Heinz Ehlers (CDU). Ehlers ist seit 28 Jahren in der Bürgerschaft. Tina Fritsche, GAL-Pressesprecherin, kommt direkt ins Schwärmen. „Wie Disco '79“, juchzt sie, „Licht aus, Spot an – das war doch klasse!“

Ihre eigenen Leute sind natürlich nicht minder clever. Antje Möller zum Beispiel ist inzwischen GAL-Fraktionsvorsitzende und hat schrecklich viel zu tun. Wie günstig wirkt sich da ein Bild aus, auf dem die seit langem Kurzhaarige noch mit schulterlangem Blondschopf zu sehen ist. Susanne Uhl, zuständig für die außerparlamentarische Opposition im allgemeinen und besonderen, bedient sich des gleichen Vorgehens. Auch sie ist auf ihrem Foto aus den Tagen, als frau noch für die Hafenstraße auf die Barrikaden ging, heute nur noch für Insider zu erkennen. „Das bin ich gar nicht“, muß sie auch selbst feststellen. Und: „Verfehlungen mit der Frisur dürfen einem doch nicht jahrelang nachgetragen werden.“Beide GALierinnen – ganz Politprofi – dementieren natürlich mit Nachdruck, etwas damit zu tun zu haben, daß diese Fotos ihren Weg ins Handbuch fanden. Möller kann sich „die undurchsichtigen ästhetischen Kriterien“der Bürgerschaftskanzlei nicht erklären. Die hätten doch ein anderes Foto nehmen können. „Wir können nur nehmen, was wir haben“, weist Bürgerschaftssprecher Frank Fechner den Vorwurf verschnupft zurück. „Kindisch“sei das, wenn man erst auf Anforderung kein neues Bild abgebe und dann schließlich „dahinterkomme“, daß das alte gedruckt wird.

Das kann der SPD-Fraktion nicht passieren. Sie hat ihre Leute komplett neu ablichten lassen. Das hätte auch der GAL gut angestanden. Norbert Hackbusch etwa trägt längst keinen Schnurrbart mehr und sieht inzwischen entschieden ansprechender aus. Doch auch die Angst vor dem Alter spielt bei der Bildauswahl eine Rolle. GALier Peter Zamory ist zum Beispiel, anders als auf dem Foto, längst ergraut.

Übrigens: Das Bild auf Seite 66, das Rena Vahlefeld (CDU) mit toupierter Turmfrisur zeigt, ist nicht aus den 70er Jahren. Sie sieht wirklich so aus.

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