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■ KommentarBilliger arbeiten

Mit einem durchaus ehrenwerten Anliegen droht der Senat voll auf die Nase zu fallen. Alle Baufirmen, die in der Stadt öffentliche Gebäude und Straßen errichten, verpflichtete die Bauverwaltung, die hier gültigen Tariflöhne zu zahlen. Damit will man erreichen, daß Firmen mit billigeren Arbeitern vornehmlich aus Ostdeutschland und anderen europäischen Ländern die hiesigen Betriebe nicht in den Bankrott konkurrieren und die hohe Arbeitslosigkeit weiter anheizen. Das Bundeskartellamt freilich kassierte die erzwungene „Tariftreueerklärung“, und das Kammergericht gab den Wettbewerbshütern recht. Bald werden Firmen, die ihren Beschäftigten zehn Mark pro Stunde zahlen, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge also wieder gleichberechtigt sein mit solchen, die den Tariflohn von 20 Mark anerkennen.

Entschließen sich Regierungen einmal zum Gegensteuern, sind sie meist hilflos angesichts der Zerstörung traditioneller Arbeitsverhältnisse und sozialer Sicherheit durch die zunehmende, auch internationale Wirtschaftsverflechtung. Der Zug der Politik fährt eben in die andere Richtung: Nicht weniger, sondern mehr Konkurrenz ist die Devise. Das Bundeskartellamt hilft dabei: Mit gesetzlichem Auftrag setzt es den freien Wettbewerb durch. Auch dafür gibt es gute Gründe. Denn warum soll ein Baubetrieb aus Thüringen in Berlin keine öffentliche Straße bauen dürfen, nur weil der dort vereinbarte Lohn niedriger ist als hier?

Über die Auswirkungen der Gerichtsentscheidung läßt sich trefflich spekulieren. Möglicher Vorteil: Das Land spart Geld, denn billige Baufirmen kassieren weniger öffentliche Mittel. Ob durch die verschärfte Konkurrenz mehr Berliner Betriebe die Fundamente von unten betrachten, ist noch nicht ausgemacht. Denn die angebliche Tariftreue ist in der Praxis nur äußerst schwer zu kontrollieren. Außerdem hat die Berliner Fachgemeinschaft Bau, die die mittelständischen Firmen vertritt, den Arbeitgeberverband selbst bereits verlassen, um die Löhne zu senken. Sozialdumping ist heute schon allgemein üblich. Hannes Koch

Bericht Seite 6

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