: Neu: Magersucht jetzt auch bei Männern! Von Wiglaf Droste
Nicht selten beschleicht mich neuerdings das Gefühl, ich sei von magersüchtigen Mädchen umgeben. Es sind aber meine Freunde. A. zum Beispiel, ein nageldürrer, graumelierter und sehr distinguierter Herr des Typs Gentleman, eiert häufig leidenden Gesichtsausdrucks durch die Welt. Fühlt er sich unbeobachtet, so befummelt und bedrückt er mit den Handballen seine Wespentaille, spielt mit den Fingern auf seinen spitzen Rippen Xylophon, rollt verzweifelt die Augen und jankt, er werde zusehends fett.
Reagiert man auf dieses backfischhafte Getue angemessen, lacht ihn also aus und gibt ihm Spitznamen wie Meschuggi oder Fatty, der Fiesling, wird es auch nicht besser; schmollend verdrückt er sich und nimmt den Gesichtsausdruck des tragisch Unverstandenen womöglich tagelang nicht mehr ab. Unterstützt wird er in diesem albernen Gebaren von seiner, wie man so sagt, Lebenspartnerin, die der Gewohnheit anhängt, sich gehässig über angebliche oder tatsächliche Blähleibigkeit bei Männern zu beschweren, während sie sich tonnenweise Weingummi in den Kopf steckt. Sie selbst verfügt dabei über ein beachtliches Fahrgestell: Würfe man ihren Hintern über sagen wir Nürnberg ab, man erzielte dieselbe verheerende Wirkung wie die Amerikaner in Hiroshima 1945 – nur daß es in Nürnberg einmal nicht die Falschen träfe –, und die Waden der Dame sind so beschaffen, daß sie bei Mitgliedern atavistischer Volksgruppen zweifellos als Kriegskeulen Verwendung fänden.
Wäre die Frau ein Mann und spräche so über Frauen, sie gälte zu Recht als Fossil und würde harsch gemaßregelt. Moderne Zivilisation aber bedeutet, daß Frauen aus Gründen ausgleichender Gerechtigkeit genauso ekelhaft sein dürfen wie Männer – während Männer die Adaption der spezifisch weiblichen Dummheit für sich in Anspruch nehmen. (In sich für besonders aufgeklärt und vorne haltenden Kreisen nennt man das Sex/ Gender-Theorie . Halleluja!)
Und so sieht man denn Männer verzweifelt in trostlosen Magazinen blättern, die Fit for Magenknurren heißen oder Der Hungerleider. Zu Hause kleben sie sich Poster an die Wände, auf denen ihre neuen Idole zu sehen sind, die Kalkutta Dream Men. In Bauchbeobachtungsgruppen springen sie herum und leisten dreimal täglich den Fahneneid auf Lätta light: „Ich habe geschworen, niemals halbfett zu werden!“ Griesgrämig und futterneidisch schielen diese halbverdorrten Manschgerln auf die Teller all jener, die sich nicht dem Ideal von Not, Elend und geistiger Sparsamkeit verschrieben haben. Ihr Erkennungszeichen ist der geizige Gang: Wenn es ganz schlimm kommt, mißgönnen sie sogar dem Sittich sein Trill oder stibitzen ihrer Luxuskatze das Minzeblättchen vom Sheba-Teller. Ihr ganz besonderes Steckenpferd ist die Anschaffung und Wartung eines sog. Waschbrettbauchs. Was wollen sie nur damit? Ihre sauer verschwitzten Hemden darauf durchwaschen, wenn sie vom Sport kommen? Oder Skiffle darauf spielen?
Die einzige Freude, die dem magersüchtigen Mann bleibt, ist die, mit knochigem Finger auf alle zu zeigen, die ein bißchen mehr auf die Grammwaage bringen als er selbst. Hämatomisch lacht er in sich hinein und hat das Wichtigste vergessen: Dick sieht komisch aus, fühlt sich aber saugut an.
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