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AnalyseHoffnung auf Hilfe

■ Die Ukraine wünscht sich Unterstützung der EU gegen Moskau

Wir wollen im Westen als Partner und nicht als Bittsteller behandelt werden“, forderte der neue ukrainische Außenminister Boris Tarasjuk kürzlich. Mit leeren Händen wird Präsident Leonid Kutschma denn auch nicht von seinem mehrtägigen Staatsbesuch in Deutschland nach Kiew zurückkehren. Die KfW-Bank stellt einen Kredit in Höhe von 30 Millionen Mark zur Verfügung. Mit diesem Geld sollen mittelständische Unternehmen gefördert werden. Doch bis zu einer Partnerschaft ist es noch ein weiter Weg.

Fast sieben Jahre nach ihrer Unabhängigkeit verharrt die Ukraine, immerhin der zweitgrößte Flächenstaat Europas, wirtschaftspolitisch in einer Grauzone. Die Agrarproduktion ist drastisch gesunken, die Privatisierung kommt nur schleppend voran. Ähnlich ihren Brüdern und Schwestern im benachbarten Rußland warten die Menschen monatelang auf Löhne und Renten. Die diesbezüglichen Schulden des Staates haben astronomische Höhen ereicht. Als Reaktion auf eine Demonstration halbverhungerter Bergarbeiter in Kiew wurde der Kohleminister jetzt vor die Tür gesetzt.

Auch außenpolitisch hat Kiew seinen Platz noch nicht gefunden. Zwar ist es der erklärte Wunsch von Staatschef Kutschma und seiner Regierung, endlich aus dem Schatten Rußlands herauszutreten. Doch der Westen tut sich schwer. So ist der im Frühjahr mit der Europäischen Union (EU) in Kraft getretene Partnerschaftsvertrag bis jetzt lediglich Papier. Wie brüchig das Eis noch ist, zeigte sich, als der südkoreanische Multikonzern Daewoo den Zuschlag für Milliardeninvestitionen in der Automobilbranche erhielt. Brüssel witterte einen Vertragsbruch und drohte Kiew mit Sanktionen. Auch die erneute Inbetriebnahme des dritten Tschernobyl-Reaktors strapazierte das Verhältnis zum Westen. Doch auf zugesagte Millionenkredite der EU und der Osteuropabank (EBRD) zum Ausbau der Atomkraftwerke in Riwne und Chmelnyzky wartet die Ukraine vergeblich.

Wohl nicht ganz zufällig fand sich Rußlands Außenminister Jewgenij Primakow Mitte vergangener Woche in Kiew ein, um die baldige Ratifizierung des russisch-ukrainischen Freundschaftsvertrages anzukündigen. Gleichzeitig erneuerte er seine Kritik in Richtung Nato und erteilte ukrainischen Annäherungsversuchen an das westliche Verteidigungsbündnis eine Absage. In bestimmten Kiewer Kreisen stößt diese Botschaft auf offene Ohren. Schließlich sind die Kommunisten im Kiewer Parlament seit den Parlamentswahlen vom März die weitaus stärkste Kraft. Daß Kutschma in dieser Situation besondere Hoffnungen auf Deutschland setzt, ist verständlich. Er weiß, daß die Gefahr einer Rückorientierung in Richtung Moskau – sollte sich die Wirtschaftskrise fortsetzen – nicht gebannt ist. Barbara Oertel

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