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Polen zeichnen sich Schröder schön

■ Die offenen Worte des SPD-Kandidaten Schröder können die polnischen Medien nicht schrecken: Für sie ist er ein Star

Warschau (taz) – In der polnischen Presse hat das Spielchen „Der König ist tot, es lebe der König“ bereits begonnen. Für die Polen ist heute schon klar: Sieger der kommenden Bundestagswahlen wird Gerhard Schröder. Der SPD- Kanzlerkandidat wird vor allem im Fernsehen gern mit Bill Clinton und Tony Blair verglichen: Siegerpose, blonde Frau im Arm, ein Volkstribun, dem die Massen zujubeln – das sind die Bilder, die die Polen zu sehen bekommen. Der Wunsch der polnischen Journalisten, Schröder positiv zu sehen, geht so weit, daß sie entweder dessen sehr deutliche Worte über den Schutz der deutschen Arbeiter vor den polnischen in Berlin und demnächst auch in der EU überhören oder für Polen positiv umdeuten. So jubelte etwa in den Abendnachrichten nach dem Besuch Schröders in Warschau der Reporter: „Es wurde eine Einigung über die Freizügigkeit erzielt!“ Für Polen würde eine solche Einigung bedeuten: mit dem EU-Beitritt erhalten die Polen nicht automatisch das Recht, in allen Mitgliedsländern Arbeit aufnehmen zu dürfen. Das politische Magazin „polityka“ brachte vor dem Besuch Schröders in Warschau ein ausführliches Interview mit dem Kanzlerkandidaten, in dem dieser betonte, daß er die Polen-Politik der bisherigen Regierung fortzusetzen gedenke, sich ebenfalls für den Beitritt Polens zur EU einsetzen werde, wobei er aber die „Interessen der deutschen Arbeiter“ stärker berücksichtigen werde. Die Trybuna, die der postkommunistischen Opposition nahesteht, findet es bemerkenswert, daß der Sohn eines nichtqualifizierten Arbeiters und einer Putzfrau es in Deutschland bis zum Kanzlerkandidaten bringen kann. Gabriele Lesser

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