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Diana for ever mit Rubbellos

Auch Reiseveranstalter kommen am Marktsegment Diana nicht vorbei. Auf den Spuren der Prinzessin dürfen Touristen in London wandeln. Souvenirs und Rührung gibt es reichlich. Blumen und ein Altar im Luxuskaufhaus Harrods für Di und Dodi  ■ Von Martin H. Schmitt

Londoner Flughafen Heathrow. Die ersten Vorboten der britischen Dianamanie kündigen sich den erwartungsvollen Diana-Touristen an. Kaffeetassen mit dem Konterfei der Verstorbenen stehen – wie in den Souvenirshops in ganz London – zum Verkauf bereit. Die Tasse mit dem Porträt der Queen kostet 3,95 Pfund. Diana steht höher im Kurs. Sie ist erst für 5,95 Pfund zu haben. Nach Prinz Charles sucht man vergeblich im Flughafenshop. Die Sympathien im Königreich sind nun einmal ungleich verteilt. Die meisten der elf TeilnehmerInnen der Diana-Memorial-Tour sind in festen Händen und wandeln nun mit ihren Ehemännern auf den Spuren der Prinzessin – wer älter als 35 Jahre ist, der hat das heiratsfähige Alter lange hinter sich gelassen, scheint es. Die Kindergärtnerin Diana führte es allen vor. Sie heiratete Charles, als sie gerade Zwanzig war.

Die britische Metropole ist keine Stadt für Billigtouristen. Mit etwas Glück kann die Prinzessin die Herzen der Touristen erfreuen, indem diese ein Diana-Rubbellos für ein Pfund erwerben – immerhin 25.000 Pfund Gewinn winken. 20 Pence des Lospreises fallen dem „Diana Princess of Wales Memorial Fund“ zu. Dieser Erinnerungsfonds unterstützt wohltätige Organisationen, neigt aber hin und wieder dazu, das nötige Augenmaß bei der Produktauswahl zu verlieren. Dianas Unterschrift auf dem Deckel einer Margarine mit dem Namen Flora erscheint nicht gerade dem Andenken der Verstorbenen zuträglich. Nicht verwunderlich, daß die Mutter der Verstorbenen, Frances Shand Kydd, sich dem Wunsch des Grafen Spencer und Dianas ältestem Sohn angeschlossen hat und mit diesen zusammen eine Einstellung der Gedächtnisstiftung fordert. Sie ist empört über die finanzielle Ausbeutung der Verstorbenen.

Besuch des Cafés „Diana“. Eine einfach gestaltete Kaffeestube, in der Sandwiches und Kaffee zu fairen Preisen verkauft werden. Unzählige Porträts der Prinzessin blicken auf die königlichen Verehrer aus Deutschland herab. Die Fotos der schüchtern dreinblickenden Prinzessin appellieren ans Gefühl. „Es war alles so schön und zugleich so traurig“, kommentiert Brigitte Reinbacher aus Landshut die Stimmung. Nach den ersten arabischen Zuckerkuchen kommen die Teilnehmer der Tour mit dem Geschäftsführer Youssef Chaibi ins Gespräch, einem Engländer ägyptischer Herkunft. Er erzählt, das Abdul, der Chef des kleinen Cafés, Diana immer zugewinkt habe, bis sie eines Tages vor dem Café mit ihrem Sportcoupé anhielt. Fortan kam Diana öfters auf einen Cappuccino vorbei. Schließlich waren Abdul und Diana Nachbarn – ganz in der Nähe befindet sich der Kensington Palace.

Die Bilder des Blumenmeeres vor Kensington Palace gingen um die Welt. Die Folgen sind heute noch zu sehen. Vor dem Wohnsitz der königlichen Familie wächst kein Gras mehr. Der Rasen in der Größe von zwei Fußballfeldern vor dem prachtvollen Eingangstor zeigt kahle Stellen. Die vielen Blumen haben das Gras darunter erdrückt. Ein Herr „Butler“ erklärt sich auf einer kleinen Holztafel zuständig für die Gartenanlage vor dem Palast. Dort bittet er um Vergebung für „etwaige Unannehmlichkeiten“, die von der ramponierten Grasdecke herrühren. Ein „Butler“ nicht nur dem Namen nach, war Paul Burrel, er stand in den Diensten der tödlich verunglückten Prinzessin. Obwohl der 39jährige nach dem tragischen Unfall in Paris Angebote in Millionenhöhe von verschiedenen Medien ausgeschlagen hatte, Details aus Dianas Privatleben preiszugeben, muß er jetzt dennoch bis Ende Juli seine Wohnung im Kensington-Palast räumen. Das freie Wohnrecht im Palast gilt nur für Angestellte der königlichen Familie.

Für das Foto des ersten Kusses zwischen Diana und Dodi mußte das französische Magazin Paris- Match dem Vater Dodis, al-Fayed, 15.000 Mark Entschädigung zahlen. Weniger aufdringlich sind die Porträts des verunglückten Paares auf dem schweren Marmortisch im Londoner Luxuskaufhaus Harrods. Das Erdgeschoß des Kaufhauses hat sich zur neuen Wallfahrtsstätte Londons entwickelt. Einem Altar nicht unähnlich ist die Gedächtnisstätte für Diana und Dodi, die der Vater Dodis, Besitzer von Harrods, bauen ließ. Lilien und vier weiße Kerzen umrahmen die Fotos. Diana-Verehrer aus aller Welt legen Blumen und Gedichte auf dem Tisch ab. Immer wieder lassen sich Touristen vor dem Traueraltar ablichten. „Di und Dodi sind viel zu früh gestorben, um beweisen zu können, daß Herkunft und Religion keine Rolle bei einer echten Freundschaft spielen“, urteilt die 46jährige Siegrid Schmidt aus Ost-Berlin, als sie in das kleine Kästchen neben Dodis Foto ein paar Pencemünzen für den Diana-Gedächtnisfonds hineinlegt.

London. Die Stadt der Bobbies und der herausgeputzten Wachsoldaten vor Buckingham Palace. London. Die Stadt der immer gleichen Bilder. Alle Sehenswürdigkeiten, die es heute zu bestaunen gibt, sind hinreichend aus der Yellow press oder den Fernsehübertragungen anläßlich des Todes von Diana bekannt . Warum also setzt der Diana-Reisende sich nun den gleichen Bildern im fernen London aus? Die Diana-Fans waren zwar von den tragischen Ereignissen emotional berührt. Die Diana- Memorial-Tour aber bringt Berührung. Die Medienikone Diana wird in eine wahrnehmbare Dimension emporgehoben, und dafür ist der Tourist bereit, über 1.000 Mark und insgesamt vier Urlaubstage zu opfern.

Gut abgerichtet ist der Wachsoldat. Ohne eine Miene zu verziehen, steht der junge Mann wie ein Zinnsoldat in seinem schmucken Wachhäuschen. Auf die Provokationen einiger Jugendlicher, die sich nur ein paar Zentimeter von seiner Nase entfernt aufbauen und vor seinem Gesicht mit den Händen hin und her wischen, reagiert er nicht. Geschlagen räumen die Burschen nach wenigen Minuten das Feld. Die Diana-Reisegruppe ist sichtlich beeindruckt von der Akkuratesse des Soldaten vor dem St. James Palace. Die Hälse der Reisegruppe recken sich hinüber zum Haus der Königinmutter. Hier verbrachte Diana die Nacht vor ihrer Hochzeit mit Charles. „Die war damals bestimmt sehr einsam“, meint Beate Meier aus München, „wenn die gewußt hätte, wie steif und kalt die Windsors sind, hätte sie sicherlich einen anderen geheiratet. Da wird einem ganz anders, wenn man weiß, wie tragisch die Geschichte doch endete.“

Gemächlich spaziert die Reisegruppe durch den unmittelbar angrenzenden St. James Park zur Westminster Abbey. Hier fand der Beerdigungsgottesdienst im September letzten Jahres statt. Ein bewegendes Ereignis ist der Besuch in Westminster Abbey allerdings nicht. Viel zuviel Menschen sind im Gotteshaus regelrecht zusammengepfercht. Zu jeder Stunde wird zu einer Andacht geladen; eine quäkende Lautsprecherstimme fordert die Besucher auf, eine Minute lang zu meditieren oder zu beten. Am Ende sind alle heilfroh, die völlig überfüllte Abtei hinter sich lassen zu können.

Bereits ein Jahr nach der Hochzeit wollte Prinz Charles Diana zum Psychiater schicken. Weil ihm das nicht gelang, kürzte er den jährlichen Kleideretat seiner Frau auf umgerechnet knapp 840.000 Mark. Als im Jahre 1981 etwa 750 Millionen Zuschauer der Trauung von Charles und Diana in der St. Paul's Cathedral beiwohnten, ahnte noch niemand von den Fallstricken dieser Beziehung. Die Bilder der Traumhochzeit werden wach, als sich die Memorial-Tour-Ehepaare auf den Stufen vor der Kirche im strahlenden Sonnenschein ablichten lassen. In diesem Augenblick denken die Männer sicher nicht an die 70 Millionen Mark Abfindungs- und Schmerzensgeld, die Diana fünfzehn Jahre nach der Trauung von ihrem Ehemann einforderte. Der abendliche Gesang des Chores hallt durch die 111 Meter hohe Kuppel. Trotz der vielen Touristen wirkt die Kathedrale nicht überfüllt. Ein idealer Ort, um im unterirdischen Kirchencafé zu verweilen.

Am letzten Tag steht der Besuch von Dianas Begräbnisstätte im etwa anderthalb Autostunden entfernten Althorp auf dem Programm. Am Tor des mit einer Mauer umwehrten Landsitzes des Earl of Spencer bietet sich das gleiche Bild wie beim Kensington Palace: Blumen und Poesiekarten, vornehmlich aus den USA und Deutschland. Mehr gibt es noch nicht zu sehen. Erst in den Sommermonaten Juli und August wird sich Althorp öffnen. Dann wird es dort ein Diana-Museum mit einem kleinen Kino (Super-8-Filme aus Dianas Kindertagen), ein Restaurant und einen Souvenirshop zu bestaunen geben. Für den Einlaß muß ein Antrag gestellt werden. Maximal sechs Tickets pro Bewerber werden ausgestellt; immerhin rund 25 Mark muß ein Erwachsener für eine Karte dann berappen. Der Zugang zu Dianas letzter Ruhestätte, die sich auf einer kleinen Insel in einem künstlich angelegten See befindet, bleibt aber verwehrt. Schließlich soll Althorp kein zweites Graceland werden. „Früher hatten wir nur vier Tage in der Woche auf, jetzt sind es sieben. Diana hat hier alles verändert“, sagt Christine Whiley, die zusammen mit ihrem Mann in Great Brington eine der kleinsten Postdienststellen der Royal Mail betreibt. Besonders gut ging die limitierte Diana-Briefmarkenserie über den Ladentisch. In den ersten Ausgabetagen standen die Philatelisten in dem 150-Seelen-Dorf Schlange, das nur einen Steinwurf vom Landsitz des Earl of Spencer entfernt liegt. Die Whileys kannten Diana noch aus ihren Jugendtagen, als sie in der winzigen Poststelle ein und aus ging. Als die Reisegruppe Frau Whiley auf Dianas Beerdigungsprozession anspricht, kommen ihr die Tränen. Sie stand selbst am Tor in Althorp, als „ihre Diana“ heimkehrte.

Diana-Tour: Kreutzer Spezialreisen GmbH, Herzog-Heinrich-Str. 23, 80336 München, Tel. (089) 54494-700, Fax: (089) 54494-719

Internet:

www.althorp.house.co.uk

Anträge für Althorp: Tel. (0044) 1604-592020, 24-Stunden-Service

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