: Bundestagswahlkampf in der Schule
■ Bremens jüngste Bundestagskandidaten diskutierten in Tenever mit SchülerInnen über Ausländerrechte und Einbürgerung
„Der von den Grünen hat gut geredet“, fand nicht nur Ali Erdal. Till Stenzel, Bremens 18 Jahre jung-grüner Bundestagskandidat, kam am Dienstag im Schulzentrum Walliser Straße verdammt gut an. Gegen Claas Rohmeyer und Lars Jeschke, die zehn Jahre älteren –Youngster' von CDU und SPD, gewann der Abiturient vor 120 engagierten SchülerInnen in einer Diskussion um Staatsbürgerrechte und Einbürgerungsgesetze nach Punkten.
Kurz vor den Wahlen! In der kommenden Woche nämlich treten an dem Schulzentrum die 750 Berufsschüler und Gymnasiasten an die Urnen, um zu zeigen, was Tenevers Jugend von Deutschlands Parteien hält. Schon im ersten Wahlgang im März hatten die Grünen mit 15 Prozent der Stimmen gut abgeschnitten. Weit vorn mit satten 50 Prozent die SPD.
Wird Stenzel den Rosaroten jetzt noch ein paar Stimmen abzwacken? Nein, sagen die GymnasiastInnen Özlem und Gürganboz: Den Grünen fanden sie zwar am besten, am Montag aber geben sie der SPD ihre Stimme. „Vorher hatte ich überhaupt keine Meinung“, sagt Gürganboz, jetzt weiß er: Die CDU wählt er nicht.
Der Christdemokrat Claas Rohmeyer bekam jede Menge verbaler Haue – nicht nur von den SchülerInnen. Dabei klangen die drei Parteienvertreter anfangs fast einmütig mit ihrer Forderung nach einer schnellen Reform des Einbürgerungsrechtes. Die erste harsche Auseinandersetzung in dem Schulzentrum entzündete sich an der ideologischen Frage, was für die Staatsbürgerschaft maßgeblich sein soll: das ius sanguinis oder das ius soli – das Blut unserer Ahnen (so Claas Rohmeyer ) oder der Boden, auf dem einer geboren wird.
Es war vor allem Dagmar Lill, Bremens Ausländerbeauftragte, die Rohmeyer hart an den Karren fuhr: „Es ist doch völlig absurd, hier solche völkischen Gedanken in den Vordergrund zu schieben“, rief sie ins Publikum. Und als Till Stenzel nachsetzte – „Was Borttscheller, Schönbohm und Kanther vertreten, ist doch Rassismus pur!“ –, da kam in dem düsteren Saal mit Gegenlicht fast Wahlkampfstimmung auf. Anerkennende Pfiffe hatte Stenzel schon vorher geerntet. Mit seinem Plädoyer für eine doppelte Staatsbürgerschaft, vor allem aber mit seiner Forderung: „Keine Abschiebung jugendlicher Straftäter!“
Gut getimt, zehn Minuten vor Schluß der Veranstaltung, meldete sich dazu auch noch der „Mein gesunder Menschenverstand“ in Gestalt zweier Umschüler älteren Semesters zu Wort: „Wer sich in meinem Haus nicht ordentlich verhält, den schmeiße ich raus.“ Höfliche Empörung kam dazu übers Saalmikrophon aus den Erwiderungen zweier deutschtürkischer Mitschüler, die es sich verbaten, als „Gäste“ im Hause des Deutschen bezeichnet zu werden. Und Dagmar Lill, die Ausländerbeauftragte, legte mit Zahlen nach. Fast ein Viertel der Jugend müsse in Bremen mit einem ausländischen Paß leben: „Das ist doch pervers!“ ... und das werde sich bei den „abnehmenden Bevölkerungszahlen“ Bremens sowieso irgendwann ändern müssen. ritz
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