: Bewunderung für die Umweltministerin
Grüne Bundestagsabgeordnete besuchten ihre Parteikollegen in Paris. Grüne Umweltministerin in Frankreich hat schon Moratorium für schnellen Brüter und einen Tag lang ein Autofahrverbot durchgesetzt ■ Aus Paris Dorothea Hahn
Eine „vielfältige linke Regierung à l'allemande“ – so lautet die Wunschvorstellung der französischen Ökopartei Les Verts für das deutsche Wahlergebnis. Um so weit zu kommen, hoffen die deutschen Grünen ihrerseits auch auf Unterstützung aus Frankreich. Bei einem gestern zu Ende gegangenen bilateralen Treffen haben sie Madame la Ministre Dominique Voynet nach Deutschland eingeladen. Als aktive Wahlkämpferin oder bei einer gemeinsamen deutsch-französischen Pressekonferenz soll Dominique Voynet im Spätsommer in Deutschland auftreten.
Denn die Französin Voynet, die bis zum Juni vergangenen Jahres kaum jemand außerhalb der Landesgrenzen kannte, hat seither zu einer beispiellosen grünen Senkrechtkarriere abgehoben. Obwohl sie die einzige Vertreterin ihrer Partei in der rot-rosa-grünen Regierung in Paris ist, drückte die Umweltministerin – ein Novum in der französischen Geschichte – der französischen Politik einen deutlichen Umweltstempel auf.
Unter anderem erreichte Voynet ein Moratorium über den schnellen Brüter von Malville, den Stopp eines AKW in Carnet am Atlantik und des geplanten Rhein- Rhone-Kanals in Ostfrankreich und einen sensationellen Tag lang ein partielles Autofahrverbot wegen der Luftverschmutzung in Paris. Und selbst bei den Themen, wo Voynet mit ihren Vorschlägen scheiterte – wie die Einschränkung der Vogeljagd und die Regularisierung aller „sanspapiers“ –, hinterließ sie doch ein Gefühl von Betroffenheit in der französischen Öffentlichkeit.
Dieser grüne Erfolg in Frankreich macht neugierig. Zumal an seinem Ursprung eine vergleichsweise kleine Partei stand. Seit dem Regierungseinstieg im Juni 1997 haben die Verts ihre Mitgliederzahl zwar verdoppelt, zählen aber immer noch nur rund 6.000 Mitglieder – im Vergleich zu knapp 50.000 grünen ParteibuchträgerInnen in Deutschland. Statt der 48 grünen Bundestagsabgeordneten haben die Verts nur 6 Deputierte. Im Europaparlament sind sie gegenwärtig überhaupt nicht vertreten.
Bei dem zweitägigen bilateralen Treffen, wozu eine zehnköpfige Delegation aus grünen Bundestagsabgeordneten und Vorstandsmitgliedern angereist war, standen deswegen lange Begegnungen mit Madame la Ministre auf der Tagesordnung. Unter anderem einigten sich die grünen PartnerInnen dabei darauf, eine Lösung für die 4.000 Tonnen radioaktiven Müll aus Deutschland zu suchen, der gegenwärtig in La Hague lagert. Beide Seiten wollen diesen Müll nicht wiederaufbereiten, wollen den Einsatz von Mox-Elementen in Deutschland stoppen und nach Wegen suchen, diesen Müll gefahrlos nach Deutschland zurückzuexpedieren.
Konkrete Aktionen in Sachen Atommülltransporte beschlossen die deutsch-französischen Grünen trotzdem nicht. Dazu sei die Situation in den beiden Ländern zu unterschiedlich, erklärten sie. Paradoxerweise hat Frankreich trotz seiner grünen Umweltminsterin die Atommülltransporte per Zug bereits vor einer Woche wiederaufgenommen, während in Deutschland die konservative Koalitionsregierung diesen Schritt nicht wagt. Wie überhaupt die deutsch-französischen Grünen zahlreiche Unterschiede entdeckten. So hatten die Verts bereits lange vor der Wahl ein gemeinsames Programm mit der PS verabschiedet, das ihnen nicht nur den Einzug ins Parlament sicherte, sondern in der gemeinsamen Regierung jetzt auch als „Vertragsgrundlage“ dient. Die deutschen Grünen ziehen ein derartiges Programm gegenüber der SPD gar nicht erst in Erwägung. Im Falle einer künftigen rot-grünen Koalition in Bonn werden deswegen auch die Koalitionsverhandlungen sehr viel langwieriger werden als in Frankreich.
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