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SPD sucht nach Kompromiß für Holocaust-Mahnmal

■ Nach der Ablehnung des Mahnmals durch den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen will die SPD Koalitionsstreit in Berlin vermeiden. Kampfabstimmung gilt als unwahrscheinlich

Berlin (taz) – In der Berliner SPD wird nach einem Ausweg gesucht, um eine Krise im Senat wegen des Holocaust-Mahnmals zu vermeiden. Möglicherweise könnte es am 25. August, wenn der Senat den überarbeiteten Entwurf des US-Architekten Peter Eisenman berät, zu einem Kompromiß kommen, wie ihn gestern der kulturpolitische Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus, Nikolaus Sander, gegenüber der taz skizzierte: Der Senat spricht sich grundsätzlich für ein Mahnmal in der Nähe des Brandenburger Tores aus, stellt aber den neuen Eisenman- Entwurf einer „breiten Öffentlichkeit“ zur Diskussion. Denkbar sei, daß danach sowohl das Abgeordnetenhaus als auch der Bundestag über den Eisenman-Entwurf entscheiden. Sanders Vorschlag, der innerhalb der SPD-Fraktion nicht abgestimmt ist, könnte eine Kampfabstimmung im Senat verhindern. Zugleich würde damit aber auch eine Entscheidung vor der Bundestagswahl verhindert.

Wie berichtet hatte sich der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen am Wochenende erneut gegen ein Mahnmal ausgesprochen und den neuen Eisenman- Entwurf abgelehnt. Innerhalb der CDU war er damit auf Widerspruch gestoßen. Kultursenator Peter Radunski (CDU) ließ gestern seinen Sprecher wiederholen, daß er sowohl am Eisenman- Entwurf als auch am Ort festhalte. Käme es zu einer Kampfabstimmung im elfköpfigen Berliner Senat – was als unwahrscheinlich gilt und von Radunskis Sprecher Axel Wallrabenstein gestern als „pure Spekulation“ zurückgewiesen wurde –, könnte die Stimme des Kultursenators der CDU eine Niederlage bereiten. Voraussetzung wäre, daß alle fünf SPD-Senatoren sich für das Holocaust-Mahnmal aussprechen. Daran aber wird innerhalb des Senats gezweifelt. So erklärte SPD-Jugendsenatorin Ingrid Stahmer gestern, sie sei zwar für ein Mahnmal an einem zentralen Ort, der Eisenman-Entwurf überzeuge sie aber nicht.

Anders als von Diepgen erklärt, besteht in der Berliner SPD offenbar keine einheitliche Linie in der Sache. „Das ist ein Hirngespinst Diepgens“, erklärte gestern Thomas John, persönlicher Referent des SPD-Fraktionschefs Klaus Böger. So habe auch Böger, der wie Bundeskanzler Kohl und Radunski den noch unter Verschluß gehaltenen zweiten Eisenman-Entwurf kürzlich eingesehen hat, lediglich seine persönliche Ansicht zum Mahnmal geäußert. Der SPD- Fraktionschef halte den Entwurf für „angemessen“, so John, und plädiere für einen Beschluß des Senats am 25. August. Böger habe aber auch deutlich gemacht, daß die Entscheidung der Senatoren nicht an ihre Parteizugehörigkeit gebunden werden sollte. Es sei „unangemessen, wenn Diepgen das jetzt zu einem parteipolitischen Thema zuspitzen will“, so Bögers persönlicher Referent.

Das Bundeskanzleramt wollte sich gestern zum Berliner Streit nicht äußern und verwies auf eine Erklärung Helmut Kohls von vergangener Woche. Darin hatte der Bundeskanzler erklärt, er wolle erst die Entscheidung des Berliner Senats abwarten, dann werde über das weitere Vorgehen beraten. Am engültigen Beschluß sind der Bund, Berlin und ein privater Förderkreis beteiligt. Severin Weiland

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