: „Zwischen Afghanistan und Sudan unterscheiden“
■ Abdel Monem Said, der Chef des Al-Ahram-Zentrums für Strategische Studien in Kairo, äußert sich zu den US-Militäraktionen, möglichen Alternativen und den arabischen Reaktionen
taz: Die USA haben erklärt, nach ihren Bombardements in Afghanistan und Sudan weiter gegen Terroristen vorzugehen. Mehrere militante islamistische Gruppen haben bereits Vergeltung angekündigt. Wie geht es weiter?
Abdel Monem Said: Beide Seiten haben sich mit Worten auf eine weitere Konfrontation festgelegt. Wichtig ist jedoch, was dahinter steckt. Die Terroristen haben nun das Gefühl, daß sie mit Afghanistan eine echte Basis besitzen, besonders nach den letzten militärischen Erfolgen der Taliban-Bewegung. Dort hat man nun den Eindruck, der auch ideologisch untermauert wird, daß die Erfolge auch nach außen getragen werden könnten. Während in der Vergangenheit der Iran als Exporteur von islamischer Revolution gesehen wurde, könnte jetzt Afghanistan die Rolle übernehmen. Wir haben fast eine Art Kettenreaktion, die von den letzten Ereignissen ausgelöst wurde. In naher Zukunft werden wir Angriffe und Gegenangriffe erleben, mit einer Dynamik, die wir heute noch nicht abschätzen können.
In den Medien wurden im Anschluß an die US-Militärschläge immer wieder Demonstrationen und Proteste in der arabischen Welt gezeigt. Wie würden Sie die arabische Reaktion beschreiben?
Die Leute sind irgendwie verärgert, aber es gab abgesehen von Libyen, Irak und Sudan keine öffentlichen Empörungen. Dort, wo es so etwas gab, hat das auch mit der Natur der Regime zu tun, die ihre Bevölkerung auf die Straße zitieren können.
Die Leute haben gemischte Gefühle. Sie wissen natürlich, daß die Wurzeln des US-Militärschlages in den vorangegangenen terroristischen Attentaten liegen. Sie verstehen, daß die USA nicht stillhalten, während ihre Botschaften in die Luft fliegen. Ich würde da aber auch unterscheiden zwischen dem Bombardement von Afghanistan, einem Land, aus dem ja immer wieder die Erklärungen von Ussama Bin Laden kommen, und dem Sudan, für dessen Bombardement bisher keine stichhaltigen Gründe vorgelegt wurden. Bisher haben die USA ihre Behauptung, daß es sich um eine Fabrik für chemische Waffen handelte, weder durch Bilder noch durch irgendwelche chemischen Proben untermauert. Das ist ein wichtiger Grund, warum sich viele Leute in dieser Region gegen das Bombardement ausgesprochen haben. Außerdem sind sie generell über den US-Alleingang verärgert.
Eine ägyptische Zeitung nannte die US-Operation „internationalen Hooliganismus“. Was wäre Ihrer Meinung nach eine geeignete Antwort der USA auf Botschaftsanschläge gewesen?
Sie hätte das machen sollen, was sie so brillant während des Golfkrieges geschafft haben. In einer weltweiten Konfrontation mit Terrorismus hätte sich Washington in der UNO Alliierte suchen können, um eine internationale Koalition gegen Terrorismus zu bilden. Statt dessen haben die USA der Welt erklärt, daß sie im Alleingang handeln kann und fähig ist, jeden nach Gutdünken zu bombardieren. Das ist beängstigend. Kein Staat der Welt, wie immer mächtig er auch sei, sollte internationales Recht in die eigenen Hände nehmen. Interview: Karim El-Gawhary
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen