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Ein Herz für ParteienEin bißchen fliegen, ein bißchen Freude

■ Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich am 27. September ...: Eine Sympathieerklärung für die Naturgesetz Partei

Unter der Schädeldecke pfeifen wir aber quasi aus dem allerallerletzten Loch. Pffffft. Ein Riesenklumpen Grips lagert da zwischen den Ohren, und was machen wir damit? Fast nix, sagen uns die HirnforscherInnen. Allenfalls zehn Prozent der Gehirnzellen verrichten bestimmungsgemäß ihre Arbeit, während der große Rest der faulen Bande dem Slogan der Allgemeinen Pogo Partei Deutschlands „Arbeit ist Scheiße“ zu frönen scheint und nichtstuend im Saft herumdümpelt. Pffffft.

Wen wundert es da noch, daß der Bundestagswahlkampf so uninspiriert vor sich hin tobt? Da versprechen die Grünen z. B. im Falle des Wahlsieges gar keine steuerlichen Entlastungen. Die Regierungskoalition fabuliert irgendwas von zehn Milliarden Mark, die SPD geht mit der dreifachen Menge hausieren. Was soll das? Muß mich das begeistern? Können solche Anreize den Vulkan der Leidenschaft in mir zum Ausstoß jener Lava anregen, die dann den golden glühenden Boden bildet, auf dem ich schließlich mit meiner Partei Hand in Hand ins zweite Jahrtausend nach Christi Geburt schreiten will? Oder so?

Können sie natürlich nicht. Diese phantasielosen, im dumpfen Realitätswahn gezeugten Kopfgeburten so offensichtlicher Nur-Zehn-Prozent-HirnnutzerInnen schockgefrieren jeden Enthusiasmus. Wie aber anders als grenzenlos begeistert kann man auf die Offerte reagieren, innerhalb eines Jahres mal eben 600 Milliarden Mark einzusparen? Wer würde nicht sofort der Partei entzückt sein Herz entgegenpfeffern, die außerdem 50 Prozent mehr Gesundheit, weniger Mobbing und eine drastische Reduzierung von Streß in Aussicht stellt? Nun?

Sehen Sie, dann geht es Ihnen wie mir: Das ist endlich mal ein visionäres Angebot. Und deshalb sollten wir am 27. September die Naturgesetz Partei, Urheberin dieser einnehmenden Aussichten, in den Bundestag katapultieren. Zumal man außer der Plazierung des Kreuzchens an der richtigen Stelle quasi nichts machen muß. Denn den Großteil der Arbeit sollen 7.000 transzendental meditierende yogische Flieger verrichten, die durch ihre Schwebekünste dermaßen viele positive Strahlungen aussenden, daß die negativen Wellen in unserer Gesellschaft neutralisiert werden. Immerhin die zentrale Ursache all dieser verdammten Übel unserer Zeit wie Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Autounfälle und Umweltverschmutzung. Und zack! – schon haben wir die 600 Milliarden zusammen.

Bis wir alle selbst mitfliegen können – das Erlernen dieser Meditationstechnik braucht schon seine Zeit – sollen andere für Deutschland fliegen. Die Naturgesetz Partei schlägt vor, 2 Prozent der Bundeswehrsoldaten entsprechend umzuschulen. Das würde uns, nebenbei bemerkt, auch den Eurofighter ersparen. Schließlich fliegen die umgeschulten Soldaten dann aus eigenem Antrieb und können sich bei der Gelegenheit die Bomben auch gleich unter den Arm klemmen.

Für jene Kleingeistigen, die Zweifel hegen, ob das denn alles funktioniert, wie sich die Naturgesetz Partei das denkt, kann der Bremer Bundestagskandidat Udo Corleis auf 42 soziologische Studien verweisen, die die Wirksamkeit der Flieger belegen. Ob in England, Holland, Iowa oder Washington: Überall nahmen bereits kurz nach dem Abheben Gewaltverbrechen, Todesfälle, die Spannungen zwischen den USA und der Ex-Sowjetunion ab, während gleichzeitig die Börsenkurse und Lebensqualitätsindexes in die Höhe schnellten.

Ganz ehrlich: Kann es auch nur einen stichhaltigen Grund geben, diese wunderbare Partei nicht in den nächsten Bundestag zu wählen? Pffffft. Franco Zotta

Der Autor dieser Zeilen ist Italiener und Philosoph, somit nicht wahlberechtigt und phasenweise auch nicht -fähig

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