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Magische Worte nach der Wahl

■ In Neukölln wirbt ein Radiosender auf überklebten Wahlplakaten für "Magie für das neue Millennium". Deren Wirkung ist jedoch genauso offen wie die Erfüllung der Wahlversprechungen der Parteien

In Neukölln geht der Kampf weiter. Doch einen Tag nach der Wahl ist es nicht das Kreuz an der richtigen Stelle, sondern der Besuch des richtigen Theaters. Ein Radiosender hat nach Schließung der Wahllokale am Sonntag abend einen Teil der Wahlplakate am Hermannplatz mit Werbung für einen Magier im Schiller-Theater überklebt. Da, wo vorher für die SPD stand, „Sie sehen: Wer intelligent ist, hält an einem guten Sozialsystem fest“, wird seit gestern „Magie für das neue Millennium“ versprochen.

Ob der Magier wirklich Elefanten verschwinden läßt oder fünf Meter über der Bühne schwebt, ist genauso offen wie die Erfüllung der Versprechen der SPD vor der Wahl. 42 Prozent der Neuköllner Wähler haben den Sozis ihre Stimme gegeben, knapp 6 Prozent mehr als vor vier Jahren. Die CDU kam auf 28 Prozent.

„Jetzt muß man erst einmal abwarten“, sagt ein Gebäudereiniger, der einige Querstraßen vom Hermannplatz entfernt Scheiben putzt. Über das Wahlergebnis ist er hoch erfreut. „Ich habe genau so gestimmt“, sagt er. Nun erwartet er, daß die Arbeitslosigkeit runtergeht. „Ich hoffe, daß sich was bewegt in der Politik“, sagt der 30jährige und wringt mit kräftigen Armen seinen Putzlappen aus. Obwohl bei Schröder „viel Show“ dabeigewesen sei, traue er ihm das zu. „Doch ich weiß, daß das nicht von heute auf morgen geht“, fügt er hinzu.

Auf mehr Rente hoffen zwei ältere Damen, die auf dem Weg zu „Rudis Resterampe“ sind. „Es mußte ja mal was geändert werden“, sagt die 70jährige. „Doch jetzt muß die neue Regierung erst mal die Karre aus dem Dreck holen“, sagt ihre 60jährige Begleiterin. Ein Müllmann, der eine Tonne mit Glas in den Container knallen läßt, ist optimistischer. „Wir haben genau das erreicht, was ich gewählt habe“, sagt der Mann in Orange, der für Rot-Grün seine Kreuze gemacht hat. Nun hofft er auf Lehrstellen für seine beiden Söhne, die 17 und 18 Jahre alt sind und beide noch nach einem Ausbildungsplatz suchen.

„Es bleibt doch eh alles beim alten“, sagt eine Briefträgerin, die mit ihrem gelben Rad die Post verteilt. „Ob CDU oder SPD, das ist doch ein Pott“, so die blonde Postfrau. „Ich erwarte keine großen strukturellen Änderungen.“ Ein 45jähriger, der bereits am frühen vormittag eine Alkoholfahne vor sich herträgt, fühlt sich als doppelter Verlierer. Am Wahlsonntag hat er nicht nur beim Skat verloren. Er hatte außerdem auf die CDU gesetzt. „Für Sozialhilfeempfänger wird es jetzt schwerer“, so seine Angst.

Auch ein 32jähriger Schornsteinfeger hat an zwei Niederlagen zu knabbern. Rot-Grün sei „nicht unbedingt das“, was er gewählt hat. Mit solch einer Regierung erwartet er „eher Nachteile“: „Steuern und Abgaben können die nicht halten, das wird steigen“, schätzt er. Und auf dem Nürburgring, wo er den Sonntag verbracht hat, hat auch nicht sein Wunschkandidat das Rennen gemacht, bedauert er.

Ein Kioskbetreiber am Hermannplatz dagegen profitierte gestern von dem Wahlausgang. „Die taz ist schon ausverkauft“, sagt er am späten Vormittag. „Aber das liegt sicher am Wahlausgang“, fügt er hinzu. Er selbst hat den Wahlausgang „mit großer Genugtuung“ aufgenommen. Nun hofft er „auf mehr soziale Sicherheit“. Die Politiker dürften jetzt „nicht nur gucken, was getan wurde, sondern müssen nach vorne schauen“. Barbara Bollwahn

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