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"Am Umzug festhalten"

■ Grüne Bundestagsabgeordnete Eichstädt-Bohlig zum Hauptstadtkonzept: Neue Debatte um Verteilung der Ministerien zwischen Bonn und Berlin

taz: Spielt der Berlin-Umzug eine Rolle bei den rot-grünen Verhandlungen in Bonn?

Franziska Eichstädt-Bohlig: Nein. Wir werden aber zum Abschluß der Gespräche eine allgemeine Erklärung dazu abgeben.

Steht Rot-Grün zur Berlin-Verpflichtung der alten Regierung, den Umzug bis zum Jahr 2000 zu beenden?

Ja. In der Grundsatzfrage des Hauptstadtumzugs wird es keine Veränderung geben.

Wie steht es mit der Frage, ob der zu DDR-Zeiten erbaute Palast der Republik in der Mitte Berlins abgerissen wird?

Da erhoffe ich, daß Rot-Grün ein bürgerfreundliches Verfahren erarbeitet und die Entscheidungen nicht hinter verschlossenen Türen getroffen werden. Ich möchte auch nicht, daß ein Investorenprojekt zum Zuge kommt.

Wird die Asbestsanierung, bei der der Palast bis auf ein Skelett abgetragen wird, durchgeführt?

Ich hoffe, daß es in der geplanten Form nicht geschieht. Dazu gibt es sowohl Erklärungen von der SPD wie auch von den Grünen, die darauf abzielen, daß ein tragfähiges Nutzungskonzept vorliegen muß, bevor die Sanierung beginnt. Mir wäre es ein Anliegen, die Debatte wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Ein Problem werden freitags die 5.000 pendelden Beamten von Berlin nach Bonn sein. Sind die logistischen Probleme geklärt?

Nein. Da werden enorme Probleme nicht nur für Bahn und Fluglinien, sondern auch für den innerstädtischen Verkehr enstehen. Schon in der Woche sind die Straßen von und zu den Flughäfen in Berlin verstopft. Da müssen wir alle Instrumente zur Entzerrung einsetzen. Als Bündnisgrüne waren wir gegen die zu großzügigen Regelungen im Umzugstarifvertrag und dem dienstrechtlichen Begleitgesetz. Wir plädierten für die Formel: Alle 14 Tage eine Fahrt und das maximal auf ein Jahr beschränkt. Jetzt gilt: Zwei Jahre lang wöchentliche Heimfahrtansprüche. Ich sehe leider nicht, daß die SPD sich da bewegen wird.

Glauben Sie, daß es bei der Trennung der Ministerien bleibt? Fünf Ministerien sollen ja in Bonn bleiben.

Ich denke, daß man sehr schnell nach den rot-grünen Verhandlungen und der dann feststehenden Verteilung der Ministerien dazu übergehen wird, das Kombinationsmodell für die fünf Ministerien neu zu debattieren. Nach bisheriger Planung haben diese nur Außenstellen in Berlin, ihre Minister und die Verwaltungen sollen in Bonn bleiben. Es könnte passieren, daß man alternativ das Kopfstellenmodell stärker in die Debatte wirft, also jenes Modell, das Verteidigungsminister Rühe für sich reklamiert: Der Stab geht nach Berlin, der Rest bleibt in Bonn.

Das Gesicht der Hauptstadt wird auch davon abhängen, in welchem Maße das Regierungsviertel zugänglich ist. Wird Rot- Grün neue Prämissen setzen?

Die grüne Vorstellung, keine Bannmeile einzurichten, wird vielleicht nicht durchsetzbar sein. Aber auch die SPD hat deutlich gemacht, daß sie das Kanzleramt nicht gänzlich absperren will. Es wird wahrscheinlich eine kleine Bannmeile geben, die nur für das Parlament gilt. Ich hoffe, daß es dabei bleibt und nicht etwa Ängsten, die in Richtung CDU gehen, nachgegeben wird. Ich würde mir auch wünschen, daß man auf die martialischen Zäune rund um das Kanzleramt verzichtet. Aber wie gesagt, das wird nach den Verhandlungen thematisiert.

In welchem Gremium?

Wird Franz Müntefering nicht SPD-Fraktionvorsitzender, ist er als Minister für Bauen und Verkehr im Gespräch. Dann stellt sich die Frage, wie in solch einem Ministerium die Rolle des Umzugsbeauftragten ausgeformt wird.

Wäre das ein Job für Sie?

Ich will dafür meinen Namen gerne noch einmal ins Spiel bringen. Allerdings muß man auch prüfen, ob in einem Ministerium eine rot-grüne Personalkombination überhaupt wünschenswert ist. Interview: Severin Weiland

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