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Sieben Whopper auf U7

Wahrscheinlich bin ich pervers – aber es mußte sein: Wer die U7 von Spandau im Nordwesten Berlins nach Rudow im Südosten benutzt, fährt auf der „whopper linie“. Sie ist eine Idee der Hamburger-Kette Burger King und führt, laut Werbung, von einem ihrer „Restaurants“ zum nächsten, insgesamt zu sieben. Der Plan: Ich fahre zu allen und esse jeweils, klar, einen Whopper!

Start – Johannisthaler Chaussee in der Gropiusstadt: „Einen Whopper und eine kleine Cola bitte.“ Die Asiatin an der Theke – hier scheinen nur Ausländer zu arbeiten – schaut mich verwundert an: „Kein Whopper Menu?“ Warum fragt sie ... ach so, beim Whopper Menu kriegt man für 80 Pfennig mehr auch noch eine „mittlere Pommes“ und sogar eine „mittlere“ Cola! „Nein, danke.“

Ich setze mich mit meinem Tablett an einen winzigen Tisch. Aus Lautsprechern dudeln Hits. Der Whopper: eine Boulette im weichen Brötchen, dazu zwei Salatblätter, Zwiebel-, Gurken- und Tomatenscheiben mit einem Ketchup- und Mayonnaiseklacks, schmeckt gut. Ich habe nichts gefrühstückt und Hunger. Aus sportlichen Gründen beschließe ich: Ab jetzt keine Cola mehr!

Karl-Marx-Straße in Neukölln. Wieder die schwarzen Stühle, zielstrebig gehe ich zur Theke, Adam, so steht's auf einer Plakette an seinem Hemd, bedient mich. „Einen Whopper bitte.“ „Kein Menu?“ „Nein.“ „Mit Cheese?“ „Äh, ja.“ Adam gibt mir noch eine Burger- King-Krone aus Papier. Der Whopper schmeckt – trotz Cheese – wie der letzte, ich habe noch Appetit. Meine Hände stinken, die Herrentoilette ist abgeschlossen. Auf einer Tafel steht in Kreide: „Am 11.10. feiert bei uns Serkan Geburtstag.“ Armer Kerl!

Kreuzberg. Am Mehringdamm in einer schönen Gründerzeitvilla der nächste Burger King, der Weg dorthin ist unangenehm: Es riecht penetrant nach dem Fett von Imbißbuden. Madika bedient mich, sie hat ein schwarzes T-Shirt an, „Wahlhelfer“ steht drauf, auf der Rückseite: „Wählt den Whopper!“ Wieder Dudelmusik vom Radio. Der Whopper schmeckt mir kaum noch. Drei Jungen am Nachbartisch ziehen sich Menus rein, einer klappt seinen Whopper auf, fischt alle Zwiebeln aus der Mayonnaise und legt sie neben den Whopper auf das Tablett.

„Kein Menu?“ Der smarte junge Mann in der Filiale am Kleistpark hat kein Namensschild. Ich will auch keinen Cheese, der Mann wendet sich aber zur Küche, verspricht sich zweimal beim Wort Whopper und lacht. Ich will gern einen Bon für die 5,15 Mark, die der Whopper kostet, sage aus Versehen „Quittung“ – er bringt mir tatsächlich eine über „fünfmarkundfünfzehnpfennig“. „Hier ist noch die Mehrwertsteuer“, erläutert er, „damit alles seine Ordnung hat.“ Der Whopper ist eklig, dabei schmeckt er wie immer.

Auf dem Weg zur Filiale Wilmersdorfer Straße, Charlottenburg. Ich sehe nur noch essende Leute. Die Asiatin fragt nicht, ob ich ein Menu will. Der W.: gleicher Geschmack, die Soße tropft klebrig über meine Hände, nur noch zwei Bissen! Ermattet gehe ich zurück zur U-Bahn.

Eine wunderbar lange Fahrt zum Siemensdamm in der Siemensstadt, das Drücken im Magen hat abgenommen, die leichte Übelkeit nicht. Alexandra bedient mich und wünscht guten Appetit. Ich würge den W. in mich rein, schmeckt wie Siemens. War 'ne doofe Idee mit der Reportage, mir ist übel, das war zu erwarten, nur noch einer, nur noch einer!

Letzte Station: Spandau, am Markt. Es dämmert. Schon der Geruch des Ladens stößt mich ab. Ich muß eine Cola trinken, sonst schaffe ich es nicht. An der Theke: Sen. „Einen Whopper und eine Cola.“ „Einzeln?“ „Wie?“ „Kein Menu?“ „Nein.“ Sen tippt was in die Kasse, ich muß warten. „Was heißt denn eigentlich Whopper?“ frage ich. „Wie bitte?“ „Was Whopper bedeutet?“ Sen lacht. „Essen“, meint sie, und ihre blauen Augen strahlen, „Essen, Essen!“ Philipp Gessler

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