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Kein Kredit für Sozialhilfeempfänger

Stadtteil-Projekte werden meist ohne klassische Bank-Darlehen finanziert  ■ Von Gernot Knödler

Die Idee ist einfach. Private Geldgeber investieren in Stadtteilbanken statt in Chemieunternehmen oder Automobilfirmen. Dafür erhalten sie eine Rendite und jene Leute einen Kredit, die in der Regel keine Sicherheiten aufzuweisen haben: Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Beraten und angeleitet von Spezialisten der Bank gründen sie kleine Unternehmen. Dadurch schaffen sie Arbeitsplätze und somit Wohlstand im Viertel, wovon die Bank wiederum profitiert.

Mit Erfolg ausprobiert wurde dieses Konzept in Chicago, berichtete der Hamburger Senatsmitarbeiter Malte Krugmann jüngst bei einer Podiumsdiskussion im Barmbeker Museum der Arbeit. Bei der Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Standortbelichtung: Wo beginnt die Zukunft im Stadtteil?“ führte Krugmann, Mitglied im Planungsstab der Senatskanzlei, aus, warum er dieses „social investment“ für zukunftsweisend hält: Die deutsche Sozialpolitik gehe von dem Ansatz aus, daß Probleme dauerhaft seien und entsprechend verwaltet werden müßten. „Social investment“ dagegen lege die Frage nahe: „Wie können wir Probleme so angehen, daß sie in Zukunft keine mehr sind?“

Krugmanns Ansicht nach muß die Initiative der sozial Schwachen angeregt werden, und das wiederum ist nur möglich, wenn ihnen das nötige Kapital an die Hand gegeben wird. In Deutschland ist das jedoch ein Problem: „Das Risikoverständnis der Banken schließt es aus, einem Sozialhilfeempfänger einen Kredit zu geben“, so Krugmann. Dazu kommt nach der Erfahrung Kurt Reinkens von der Hamburger Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg), daß die Banken ungern Kredite von weniger als 100.000 Mark vergeben. Auf Kleinkredite zugeschnittene Stadtteilbanken sind einstweilen nicht in Sicht.

Bereits heute werden in Hamburg soziale Projekte jenseits der eingefahrenen Wege des klassischen Bankgeschäfts finanziert. Die GLS Gemeinschaftsbank, eine bundesweit agierende Genossenschaft, hat hierfür Modelle entwickelt, wie Mitarbeiter Dirk Grah an verschiedenen Beispielen erläuterte: Um eine Aula für das Gymnasium in der Lokstedter Corveystraße zu finanzieren, nahm die Schule einen Kredit auf. Die Eltern übernahmen die Bürgschaft.

Für das Projekt „Rathauspassage“ – einer Ladenzeile mit Dienstleistungsangeboten, in der ehemalige schwer vermittelbare Arbeitslose eine Perspektive gefunden haben – organisierte Grahs Bank eine Leih- und Schenkgemeinschaft, die Investitionen von 260.000 Mark vorfinanzierte. Die Teilnehmer gaben ein Spendenversprechen über mehrere Jahre ab; im Gegenzug streckte die Gemeinschaftsbank Geld für die Rathauspassage vor.

Für die Obdachlosen-Zeitung Hinz&Kunzt schließlich legte die Bank einen besonderen Sparbrief auf, der in marktüblicher Höhe verzinst wird. Die Zinsen kommen Hinz&Kunzt zugute, das eingezahlte Kapital bleibt dem Sparer erhalten.

Etwa die Hälfte seiner Kredite vergibt die Gemeinschaftsbank kommerziell, den Rest zinsfrei an gemeinnützige Kreditnehmer. Diese kommen am Jahresende lediglich für die verbleibenden Kosten der Bank auf, woraus sich ein Zins ergibt, der deutlich unterhalb des Marktniveaus liegt.

All diese Ideen setzen voraus, daß sich die Männer und Frauen eines Stadtteils für ihr Lebensumfeld engagieren, indem sie gemeinsam Verantwortung übernehmen und Risiken tragen. Der Lohn wäre im Idealfall ein Viertel mit geringen sozialen Spannungen, in dem es sich für viele Menschen angenehm leben läßt. „Jeder von uns hat Verantwortung“, brachte es Dirk Grah im Museum der Arbeit auf den Punkt. „Wenn Sie das Geld zur Postbank bringen, und sagen: Es ist mir egal, was daraus wird – dann wird die Welt auch so.“

Die Reihe „Standortbelichtung“ läuft noch bis Ende November. Die nächste Podiumsdiskussion am Montag, dem 9. November, ab 19 Uhr widmet sich dem Thema Kultur im Stadtteil. Parallel wird eine Ausstellung mit Fotos der Hamburger Stadtteile von Kindern und Jugendlichen sowie professionellen FotografInnen im Museum der Arbeit gezeigt (taz hamburg berichtete).

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