„Demokratie kostet halt“ – was es auch wolle

■ Eine niedrige Wahlbeteiligung in Bremerhaven hatte der CDU 1995 den Sieg beschehrt. Deshalb will die Partei die Wahlen auch 1999 nicht zusammenlegen

Drei mal werden Bremerhavens BürgerInnen im nächsten Jahr an die Wahlurne gerufen. Die Rechnung zahlt der Steuerzahler. Eine Wahl kostet rund 200.000 Mark. Am 6. Juni sind die 90.341 Wahlberechtigten in Bremerhaven aufgerufen, ihre Landtagsabgeordneten für die Bremische Bürgerschaft zu wählen. Am Sonntag darauf steht die Europawahl auf dem Terminkalender des Wahlamtes, und am 26. September wird die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Aller Voraussicht nach sollen sich die Wähler außerdem am 7. März in einem Bürgerentscheid für oder gegen den Ocean Park aussprechen.

Der Vorstoß von SPD, AfB, den Grünen und der rechtsextremen DVU, die Bürgerschaftswahl und die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung aus Kostengründen zusammenzulegen, ist an der CDU gescheitert. Die CDU hat in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung 19 von 48 Sitzen. Die Zusammenlegung der Wahlen hätte mit 2/3 Mehrheit beschlossen werden müssen.

„In ganz Deutschland sind die Kommunalwahlen und die Landtagswahlen getrennt“, verteidigt CDU-Chef Paul Bödecker die Haltung der Fraktion. Mit getrennten Wahlen würde Bremerhaven zudem seine Eigenständigkeit unterstreichen. Geld zählt für ihn als Argument nicht. „Demokratie kostet halt Geld“, sagt er. Daß die Bremerhavener wahlmüde werden könnten, nimmt er in Kauf. „Die Leute müssen zur Wahl gehen, weil sie eine vernünftige Politik wollen. Sonst könnte man ja auch sagen, jeder der zur Wahl geht, kriegt eine Tafel Schokolade.“

Daß die CDU die Wahlen nicht zusammenlegen will, hat einen guten Grund. Ihren Wahlsieg 1995 verdankt sie der niedrigen Wahlbeteiligung in der Seestadt. Damals war nur jeder zweite Bremerhavener zur Wahl gegangen. Vor allem die SPD-Wähler waren zu Hause geblieben.

Eine Kette von Skandalen, die in der Spaltung der Bremerhavener SPD gipfelten, kostete Stimmen. Mit 29,7 Prozent (13.865 Stimmen) mußte die SPD die Alleinregierung an die CDU abgeben. Doch auch die CDU hatte verloren. 17.245 Wähler gaben den Christdemokraten ihre Stimme. Das waren fünf weniger als bei der Wahl 1991. Die CDU hatte bei der Wahl 1995 also nur ihr Wählerpotential ausgeschöpft. Die CDU kann also kein Interesse an einer hohen Wahlbeteiligung haben. Und daß der Wahlmarathon die Bremerhavener ermüden könnte, liegt auf der Hand.

„Reine Wahltaktik“, schimpft deshalb SPD-Fraktionschef Jörg Schulz. Die CDU gebe unnützes Geld aus und spiele der DVU in die Hände. Denn auch die kleineren Parteien, wie die rechtsextreme DVU würden von einer niedrigen Wahlbeteiligung profitieren, weil sie ihnen den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde erleichtert. „Wir würden von einer niedrigen Wahlbeteiligung profitieren“, gibt Siegfried Tittmann, Fraktionsvorsitzender der DVU zu. „Aber wir wollen trotzdem, daß die Wahlen zusammengelegt werden. Alles andere ist eine unverantwortliche Steuergeldverschwendung.“ Auch die kleine AfB-Fraktion spekuliert nicht auf eine niedrige Wahlbeteiligung. „Man muß den Haushalt doch nicht über Gebühr belasten“, findet AfB-Chef Günter Dieckhörner. Und auch die Grünen wollen zusammengelegte Wahlen. „Wir haben die Befürchtung, daß am Ende kein Mensch mehr zur Wahl geht. Und das schwächt die Stadtverordnetenversammlung“, sagt Fraktionssprecher Michael Frost.

Um ihren Standpunkt zu untermauern, hat sich die CDU schon 1995 allerhand einfallen lassen. Die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung und die zur Bürgerschaft waren damals zum ersten Mal getrennt worden. Die Bürgerschaftswahl mußte vorgezogen werden, weil die Ampelkoalition von SPD, FDP und Grünen in Bremen gescheitert war. Ein Gutachten, das von der Bremer CDU bezahlt worden war, kam seinerzeit zu dem Schluß, daß die vorzeitige Auflösung der Stadtverordnetenversammlung rechtswidrig sei. Die Wahlen wurden getrennt. Die Bürgerschaftswahl kostete 214.271 Mark. Die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung, vier Monate später, schlug nochmal mit 210.090 Mark zu Buche. kes