piwik no script img

■ intershopKlein Emmas Staatsangehörigkeitsquartett

Heute ist meine Tochter Emma drei Wochen alt geworden! Lange bevor sie auf die Welt kam, wurden über sie etliche Dokumente erstellt. Der Mutterpaß zum Beispiel, in dem die Blutwerte der Mutter, die Herztöne und das schöne Wachstum des Embryobabys systematisch festgehalten wurden. Weitere Dokumente folgten: Da Bettina, Emmas Mutter, und ich nicht geheiratet haben, ließen wir, noch vor Emmas Geburt, die Anerkennung meiner Vaterschaft und das gemeinsame Sorgerecht festschreiben. Ein bißchen Staat sollte eben doch sein.

Noch vor der Geburt kannten wir das Geschlecht des Kindes und wußten, wie das Mädchen heißen sollte. Nur wenige Stunden nach der Entbindung suchte uns eine Angestellte des Standesamtes auf und hielt gewissenhaft im Formular die Vornamen unserer Tochter fest: Emma Miriam.

Wir wußten viel über unsere Tochter, bevor sie da war. Was wir bis heute nicht genau wissen, ist Emmas Staatsangehörigkeit. Dabei haben wir gerade in diesem Punkt einiges aufzubieten: Zusammen besitzen wir eine vierfache Staatsangehörigkeit, zwei Bettina, zwei ich. Von mir könnte Emma die deutsche und tschechische erben, von Bettina die israelische und britische. Wenn da nicht der Haken wäre, daß Bettina und ich eben doch nicht zuviel Staat wollten und nicht geheiratet haben.

Bleibt die Frage, wieso Emma von mir, dem eingebürgerten Fremdling, die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen könnte und nicht von Bettina, die in Essen geboren, in Berlin aufgewachsen ist, eine deutsche Mutter und einen Vater hat, in dessen Adern Preußenblut fließt.

Die Geschichte ist so einfach und kompliziert wie deutsch. Bettinas jüdischer Vater wurde kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mit einem der letzten „Kindertransporte“ nach England geschickt und so vor dem Zugriff der Nazis gerettet. Ende der fünfziger Jahre kehrte er nach Deutschland zurück und gründete hier eine Familie. Um die Rückgabe der deutschen Staatsangehörigkeit hat er sich nicht gerissen und sorgte dafür, daß die Tochter Bettina seine, die britische, erhielt. Man könne ja nicht wissen, so der Vater, was in Deutschland noch passiert. Soll man ihm widersprechen?

Was tun mit unserem vierfachen Erbe? Vielleicht Innenminister Schily ärgern, der unter etlichen Einschränkungen großzügig eine doppelte Staatsangehörigkeit verspricht? Durch die Heirat Emmas Staatsbürgerschaften sichern?

Erwachsenenfragen! Emma interessiert einstweilen nur das eine: der stetige Nachschub an Muttermilch. Wird unterbrochen, schreit sie, deutlich und laut. Garantiert in mindestens vier Sprachen. Richard Szklorz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen