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Galinski-Grab: Bekennerschreiben echt?

■ "Wir sind nicht rechtsextremistisch, im Gegenteil", behaupten AutorInnen einer gestern eingegangenen Selbstbezichtigung für den Anschlag auf das Grab von Heinz Galinski. Unsicherheit in der Jüdischen

Vier Tage nach dem Anschlag auf das Grab von Heinz Galinski ist gestern in Berlin ein Bekennerschreiben aufgetaucht. Ob es sich bei dem Schreiben um einen Brief von Trittbrettfahrern handelt oder tatsächlich mit der Tat in Zusammenhang steht, konnten die Sicherheitsbehörden bis gestern abend nicht klären.

Das Bekennerschreiben ist bei der Staatsanwaltschaft und bei der Berliner Morgenpost eingegangen. Die Staatsanwaltschaft wollte keine Details bekanntgeben. Einzig die Passage „wir sind nicht rechtsextremistisch, im Gegenteil“, zitierte Sprecher Matthias Rebentisch. Eine Unterschrift trüge das Papier nicht, doch werde eine Gruppierung genannt. Diese behauptet in dem Schreiben, den Sprengstoffanschlag auf das Grab des ehemaligen Vorsitzenden der Berliner Jüdischen Gemeinde und des Zentralrats der Juden in Deutschland, Galinski, am Samstag verübt zu haben, um gegen die Umbenennung der Schulstraße im Wedding in Heinz-Galinski-Straße zu protestieren. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob das Schreiben Rückschlüsse darauf zuläßt, ob die Schreiber an der Tat beteiligt gewesen sein könnten.

„Keine heiße Spur“, hieß es trotz des Briefes gestern allerdings bei den Sicherheitsbehörden. Nach der Sprengung der Grabplatte mit einer selbstgebauten Bombe haben Spurensicherung und ZeugInnenbefragungen noch keine entscheidenden Hinweise über die TäterInnen liefern können.

Unterdessen ergibt sich ein zwiespältiges Bild davon, ob die nach dem Anschlag angekündigte Verstärkung des Schutzes für jüdische Einrichtungen in der Stadt tatsächlich zur Wirkung gekommen ist. Von Seiten der Jüdischen Gemeinde hieß es, die Polizeipräsenz sei verstärkt worden – und zwar auf unbegrenzte Zeit. Das Sicherheitsgefühl sei dadurch jedoch „nicht besonders gestiegen“: „Alle machen sich Sorgen“, sagte ein Gemeindemitglied gestern. Schließlich handle es sich hier nicht nur etwa um Steine auf jüdische Häuser oder Schmierereien an Friedhöfen, sondern um einen Bombenanschlag.

Ein Vorstandsmitglied der Synagoge in der Pestalozzistraße sagte, vor ihrem Gotteshaus fänden weiterhin nur die üblichen Kontrollfahrten der Polizei statt. Die Bewachung bestehe nur zu Gottesdienstzeiten. „Selbstverständlich“ sei die Verunsicherung in der Gemeinde nach dem Anschlag gestiegen. Nach Informationen aus der Synagoge in der Rykestraße ist die Polizeipräsenz vor der Tür gleich geblieben. Stündlich wird die Synagoge angefahren, nachts schützen Polizisten das Haus. Allerdings gab es Kritik an der teilweise zu laxen Kontrolle durch Polizisten, von denen manche bei kaltem Wetter nur im Gebäude Dienst schöben statt auf der Straße.

Irene Runge, Vorsitzende des Jüdischen Kulturvereins, erklärte, ihre Institution werde weiter lediglich „symbolisch geschützt“ und „großräumig umfahren“. Allerdings gebe es doch einen gewissen Schutz, da sie sich gleich neben dem Centrum Judaicum in der Oranienburger Straße befänden, das regelmäßig und intensiv geschützt werde. Bei vielen Gemeindemitgliedern gebe es jetzt jedoch ein Gefühl der Unbehaglichkeit. „Das ist etwas Neues.“ Man gucke jetzt genauer hin, aber „wir vergehen nicht vor Angst“. babs/ges

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