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Schimmelpilz statt Pausenbrot

■ Bildungsbehörde ließ Grundschüler gegen den Rat des Gesundheitsamtes in pilzverseuchten Mobilklassen unterrichten / Nachmittagsunterricht als Ausweichlösung für Eltern inakzeptabel

Die Eltern der Oberneuländer Grundschüler, die in Schimmelpilz-belasteten Mobilbauklassen unterrichtet wurden, sind inzwischen stinksauer auf die Bildungsbehörde. Wie erst jetzt bekannt wurde, hatte sich das Bremer Gesundheitsamt bereits am 15. September gegen jeglichen weiteren Unterricht in den Mobilräumen ausgesprochen, als Frist jedoch „spätestens“ Ende 1998 genannt. Dennoch ließ man in der Bildungsbehörde erst ein externes Gutachten anfertigen, ohne den Unterricht in den gammeligen Klassenzimmern abzubrechen. Anschließend hieß es in einer Mitteilung aus der Behörde: „Nach dem Urteil des Bremer Gesundheitsamtes lassen sich aus dem Gutachten keine akuten Gefährdungen ablesen, die einen Unterricht in den Räumen ausschließen.“

Darüber zeigte man sich gestern im Gesundheitsamt „irritiert“ und reichlich „verärgert“. Man habe das Fremdgutachten lediglich zur Kenntnis erhalten, sei aber zu keiner Stellungnahme aufgefordert worden, hieß es. Das Zweitgutachten sei „entbehrlich“. Im Gesundheitsamt bleibt man – im Gegensatz zur Bildungsbehörde – der Auffassung: Die Mobilbauklassen der Oberneuländer Grundschule gehören geschlossen. Ein klares Fazit des zuständigen Bremer Amtes.

In der Bildungsbehörde verläßt man sich dagegen offensichtlich lieber auf das eigene Urteil. In Eigenregie interpretiert man dort das Zweitgutachten so, daß der Unterricht in den Mobilbauten fortgesetzt werden kann, „weil keine akute Gefährdung vorliegt“, betonte Sprecher Rainer Gausepohl gestern erneut. Nur Essen sollen die Kinder nicht mehr in den Räumen. Obwohl das Gutachter-Institut feststellt, daß „die Atemluft des beprobten Schulraumes massenhaft mit Pilz-sporen belastet ist ... Durch die von diesem Schimmelpilz ausgehenden Sporen ist von einer Luftveränderung auszugehen, wobei Infektionen der oberen Atemwege und die Möglichkeit einer Allergiesierung nicht auszuschließen sind“ (wir berichteten).

Das bestätigt auch das Bremer Umwelt-Institut. Diplom-Biologe Thomas Krooß, der selbst Gutachten über Schimmelpilzbefall erstellt, rät dringend, Räume mit massenhaftem Befall „umgehend zu sanieren. Sonst kann es zu schwerwiegenden Gesundheitsschäden kommen.“ Krooß berichtet von Erkrankungen wie Asthma oder sogar Pilzbefall etwa auf der Haut der Personen, die sich in den Räumen aufhalten. Dies könne auch zu bleibenden Gesundheitsschäden führen.

Wie berichtet, haben darum die Eltern reagiert und aus Spenden sowie aus eigener Tasche einen neuen Container für 12.000 Mark gekauft. Für sie war der alte Zustand unhaltbar. „Mehrere Kinder haben verstärkt über Erkältungsinfekte, Hals-, Augen- und Schleimhautreizungen sowie Kopfschmerzen geklagt. Ein Kind leidet seit Wochen an Bronchialasthma und wurde vom Unterricht befreit, weil ein weiterer Aufenthalt in diesen Räumen sofort wieder zu verstärkten Beschwerden geführt hat“, beschwert sich Elternsprecherin Angelika von Bernstorff.

Was sie jedoch maßlos ärgert, sind die Alternativen, die die Bildungsbehörde den Eltern anbietet, bis die Uralt-Mobilbauten abgerissen und bis Oktober durch Festbauten ersetzt sind. In anderen Klassenzimmern soll Schichtunterricht gegeben werden. „Das kann man doch Grundschülern nicht zumuten“, so von Bernstorff. „Zudem viele Eltern vormittags arbeiten gehen. Die gesamte Betreuung der Kinder wäre nicht mehr zu gewährleisten.“ Jens Tittmann

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