: Mehr rechtsextreme Straftaten 1998
■ Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) zieht Zwischenbillanz. Rechte wechseln häufig Treffpunkte in der Hauptstadt
Der Sprengstoffanschlag auf das Grab des früheren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski; das über den Alexanderplatz gejagte Schwein mit der Aufschrift Ignatz Bubis (jetziger Zentralratsvorsitzender) – beides waren nur unrühmliche Höhepunkte in der rechtsextremen Chronik Berlins des Jahres 1998. Wie Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) jetzt erläuterte, ist in der Hauptstadt die Zahl rechtsextremistischer Straftaten im vergangenen Jahr deutlich angestiegen.
Waren es in Berlin im gesamten Jahr 1997 noch 52 gegen Personen gerichtete Straftaten, so zählte das Landesamt für Verfassungsschutz von Januar bis Oktober 1998 bereits 68 solcher Taten. Insgesamt kommt das Berliner Landeskriminalamt allein in dem Zeitraum auf 437 Strafaten, 1997 waren es insgesamt 552. Schon im Verfassungsschutzbericht 1997 weist das Amt jedoch auf einen Anstieg dieser Gewalt um sieben Prozent hin.
Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sind zwei Schwerpunkte der Neonazis. So zählt der Innensenator 90 antisemitische Straftaten auf. Dabei konzentrieren sich die Rechten stark auf die Ostberliner Stadtteile. Allein im Bezirk Lichtenberg haben die Neonazis 57mal propagandistisch oder real zugeschlagen, 40mal in Treptow, 36mal in Pankow, 34mal in Marzahn und 33mal in Mitte – dem künftigen Regierungsbezirk. Traurige Spitze im Westteil hat der gutbürgerliche Bezirk Charlottenburg übernommen: 32 Straftaten.
Die Konzentration der Straftaten spiegelt den Organisierungsgrad von Neonazis in den verschiedenen Bezirken Berlins relativ deutlich. „Erfahrungsgemäß“, so betont der Innensenator jedoch, nutzen die Rechtsextremisten ganz bestimmte Treffpunkte „nur über kurze Zeiträume“. Dem Senat sei eine Vielzahl von Treffpunkten des rechtsextremen Spektrums bekannt, „in der Regel Wohnungen, Gaststätten und Diskotheken“. Derzeit kennt der Innensenator fünf Treffpunkte von Rechtsextremen in Lichtenberg, zwei im Bezirk Köpenick und einen in Hohenschönhausen. Einer der gefährlichsten Orte der Hauptstadt ist wie in den vergangenen Jahren der Bahnhof Lichtenberg.
Von den gezählten 1.845 Rechtsextremen werden 660 der gewaltbereiten Szene zugeordnet. Organisatorisch gehen die Sicherheitsexperten von 270 Neonazis in sogenannten unabhängigen Kameradschaften und 870 in rechtsextremen Parteien aus. Barbara Junge
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