: Serbien setzt weiter auf Härte
Die internationalen Reaktionen auf das Massaker im Kosovo nähren Verschwörungstheorien in Serbien. Die Position der Hardliner wird gestärkt ■ Von Andrej Ivanji
Wien (taz) – Die ganze Welt ist schockiert über die „kaltblütige Hinrichtung“ albanischer Zivilisten im Dorf Racak, wie es im Bericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) heißt. In Serbien ist man jedoch bitterböse wegen der „unbegründeten“ Entrüstung der internationalen Gemeinschaft. Denn, wie regimenahe Medien die Serben aufklären, in Racak habe die serbische Polizei lediglich ein Dutzend bewaffneter „albanischer Terroristen“ liquidiert. Jeder normale Staat würde genau so handeln, um seine Souveränität zu verteidigen. Berichte über massakrierte Leichen von albanischen Zivilisten seien erlogen, unter dem Einfluß Amerikas verbreite die OSZE bewußt diese Lügen über die Vorkommnisse im Kosovo.
„So wie in Racak werden wir auch in Zukunft handeln!“, erklärte Zoran Andjelković, Vertreter der serbischen Regierung für den Kosovo. Serbien könne nicht zusehen, wie Serben „wie Freiwild“ im Kosovo getötet und Soldaten entführt würden, es müßte den Terrorismus bekämpfen, selbst wenn es sich dabei der „unverantwortlichen“ Repression der Staatengemeinschaft aussetze.
Auch Serbiens Präsident, Milan Milutinović, kündigte einen neuen harten Kurs sowohl gegen die „Kosovo-Befreiungsarmee“ (UCK), als auch gegen die „parteiischen“ OSZE-Beobachter an. Er beschuldigte den Chef der OSZE-Mission im Kosovo, William Walker, die Ermittlungen eines serbischen Untersuchungsrichters verhindert zu haben und sich nicht wie ein OSZE-Vertreter, sondern als „Beschützer der Terroristen und Separatisten im Kosovo“ zu benehmen. Am Montag wurde der amerikanische Ex-General zur unerwünschten Person in Jugoslawien erklärt und aufgefordert, binnen 48 Stunden das Land zu verlassen.
Die jugoslawische Regierung ist sich dessen bewußt, daß die Ausweisung Walkers eine entschlossene Reaktion der internationalen Gemeinschaft, vor allem Amerikas, zur Folge haben wird. Das Risiko geht sie trotzdem ein. Wenn es zu keinem Einsatz der Nato in Serbien kommt – und davon geht Belgrad aus – hat das Regime endlich wieder Stärke gezeigt und innenpolitisch viel gewonnen.
Denn der Kosovo ist die Quelle des großserbischen Nationalismus. „Die Wiege des Serbentums“ war das Sprungbrett für den Blitzaufstieg des jugoslawischen Präsidenten, Slobodan Milošević, als er 1989 die Autonomie der zu 90 Prozent von Albanern bewohnten Provinz aufhob. Seine Herrschaft in Serbien gründet auf nationalistischem Populismus. Wenn er den Kosovo verliert, den er öffentlich zum „wertvollsten Stück serbischer Erde“ erklärt hat, sind die Säulen seiner Macht zerstört. Milošević kann es sich nicht leisten, daß der „feindlich gesinnte Westen“ Entscheidungen im Kosovo trifft. Der harte Kurs Belgrads ist innenpolitisch erzwungen, denn immer lauter werden die Stimmen der Serben aus dem Kosovo, die dem Regime Verrat vorwerfen.
Seinen heiligen Schwur, daß alle Serben in einem Staat leben würden, konnte Milošević nicht erfüllen. Die Vertreibung der Serben aus Kroatien, die Einbindung der Republika Srpska in ein einheitliches Bosnien haben ihn aufgezehrt. Montenegro will mit Serbien nichts mehr zu tun haben, die jugoslawische Föderation existiert nur noch auf dem Papier. Geblieben ist noch Kosovo. Milošević ist noch an der Macht, da er die eigenen Volksgenossen überzeugen konnte, daß sie einer Weltverschwörung zum Opfer gefallen seien: Die hegemonialen Pläne Amerikas ließen ein starkes Serbien nicht zu, Deutschland wolle sich für die Niederlage in zwei Weltkriegen rächen. Das wirke sich jetzt im Kosovo aus. Die künstlich erzeugte Xenophobie der von der Welt isolierten Serben erhält das Regime aufrecht.
Nur, nach jahrelangem Propagieren von Verschwörungstheorien scheint es, daß auch Vertreter des Regimes selbst an eine Weltverschwörung von Serbenhassern glauben. Die jüngsten Ereignisse im Kosovo bedeuten einen Sieg der Hardliner um Milošević. Je stärker die Isolation Serbiens, desto sicherer ist ihre Macht.
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