Kommentar: Die Gunst der Stunde
■ Warum die GAL sich profilieren darf, die SPD es aber nicht dabei belassen sollte
Man kann es den Hamburger Grünen nicht übelnehmen, daß sie versuchen, die Gunst der Stunde zu nutzen. Doppelte Staatsbürgerschaft und christdemokratische Doppelmoral – endlich mal ein Thema, bei dem die GAL beweisen kann, daß sie so ernstzunehmen ist, wie sie selbst es schon nicht mehr geglaubt hat.
Die Unterschriftensammlung der Union gegen den Doppelpaß, den selbst eine Hamburger CDU-Abgeordnete besitzt, macht es natürlich leicht, das Thema auf die Tagesordnung der Bürgerschaft zu setzen. Da läßt sich trefflich Profil zeigen: in der Öffentlichkeit, gegenüber der eigenen Basis – in Sonderheit deren linkem Teil, der ob mangelnder grüner Erfolge schon geräuschvoll zu murren begann. Und auch gegenüber dem Koalitionspartner, der Fortschritte in der Ausländerpolitik dieser Stadt bislang nicht zulassen mochte.
Zwar ist Hamburgs SPD etwas kleinlauter geworden, seit sie selbst von Innenminister Otto Schily links überholt wurde. Zwar streitet sie nun Seit' an Seit' mit der GAL für die Rechte von MitbürgerInnen, denen diese seit des Kaisers Zeiten vorenthalten werden. Doch der peinliche und noch immer nicht beigelegte Krach in der rot-grünen Hamburger Reformkoalition um eine neue Ausländerbeauftragte hat gezeigt, wie schwer selbst minimale Fortschritte zu erreichen sind.
Eine humane und solidarische Flüchtlings- und MigrantInnenpolitik ist in dieser Stadt bitter notwendig. Sie zu beschwören, ist das eine; sie einzuführen, ist das, was zählt.
Sven-Michael Veit
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