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CDU-Kampagne als Standortgefahr

Die Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft stößt in Hessen auf zunehmende Ablehnung  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) – In Hessen wächst der Widerstand gegen die am Wochenende angelaufene Unterschriftenkampagne der Union – auch in der Wirtschaft. Der Chef der Hessischen Landeszentralbank, Ernst Welteke, hat sich in einem Brief an Vorstandsmitglieder deutscher Finanzunternehmen für die doppelte Staatsbürgerschaft eingesetzt. Mit der Unterschriftenaktion könnten „dumpfeste Ressentiments“ geweckt und das „internationale Ansehen des Finanzplatzes Frankfurt“ aufs Spiel gesetzt werden, so Welteke.

Die Wirtschaft befürchtet Standortnachteile. In einer Resolution, die vom Vorstand mitgetragen wird, wenden sich die Betriebsräte des Pharmagiganten Hoechst Marion Roussel (HMR) gegen die Kampagne der Union: „Es ist zu befürchten, daß diese Aktion große Schäden nach sich ziehen wird.“ Menschen unterschiedlichster Herkunft – vom gewerblichen Arbeitnehmer bis zum Spitzenmanager – würden schließlich zum Erfolg von HMR beitragen, heißt es in der Resolution weiter: „Wir wollen, daß dieses friedliche, fruchtbare Miteinander nicht erschwert oder gar aufs Spiel gesetzt wird.“

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, hatte sich schon am Dienstag auf dem Neujahrsempfang der Stadt entsprechend geäußert. Den vielen EZB-Beschäftigten aus anderen Ländern der EU werde es zur Zeit nicht leicht gemacht, sich in Frankfurt in die Gesellschaft zu integrieren, sagte der sichtlich verärgerte Holländer.

Im Börsengebäude stellen die Bündnisgrünen am Sonnabend ein Wahlkampfplakat „für die Integration und für die Tolerierung der doppelten Staatsbürgerschaft“ vor: „Hier geboren, hier zu Hause.“ Landesverband und Landtagsfraktion haben für heute die Einrichtung einer „Infohotline“ angekündigt: „Ja zur Integration und zur doppelten Staatsbürgerschaft.“

Unterdessen hat sich in Frankfurt ein Landesbündnis „Weltoffenes Hessen“ formiert, das es sich zum Ziel gesetzt hat, der Kampagne der CDU mit einer „sachlichen und aufklärenden Debatte“ zu begegnen. Gründungsmitglieder der Initiative sind der DGB Hessen, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, der Landesverband der jüdischen Gemeinden, der Hessische Jugendring und die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, der Verband binationaler Partnerschaften (IAF), der Hessische Flüchtlingsrat und der Interkulturelle Rat. Das breite Bündnis soll dokumentieren, daß die demokratische und liberale Tradition im Land Hessen trotz der Unionskampagne „fortgeführt“ werde; heute auch von Ausländerinnen und Ausländern. Die Ausländerbeiräte werden am Sonnabend in 22 hessischen Städten vor den Geschäftsstellen der CDU symbolisch eine „Toleranzmeile“ errichten und mit der Bevölkerung „beschreiten“; eine Aktion „gegen die Intoleranz fördernde Unterschriftenkampagne und gegen Ausländerfeindlichkeit“.

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