: Eichel wird wieder unbekannt
■ Hessens SPD-Ministerpräsident Hans Eichel kündigt Rücktritt an. CDU will Kampagne fortsetzen, bis Bonn einlenkt, widerspricht aber nicht FDP-Entwurf zum Staatsbürgerschaftsrecht
Wiesbaden (taz) – Hessische Spezialitäten, erster Teil: Ministerpräsident Hans Eichel und seine Sozialdemokraten gehören zu den Gewinnern der Hessenwahl (plus 1,4 Prozent). Doch wegen der Verluste der Bündnisgrünen (minus 4 Prozent) ist die sozial-ökologische Koalition obsolet.
Eichel warf gestern hin. „Für eine erneute Kandidatur für das Ministerpräsidentenamt im Jahre 2003 stehe ich nicht zur Verfügung.“ Landesvorsitzender der SPD will der „brave Hans“, wie er in der eigenen Partei gerne genannt wird, auch nicht mehr lange bleiben.
Hessische Spezialitäten, zweiter Teil: Ruth Wagner und ihre Freien Demokraten gehören zu den Verlierern der Hessenwahl (minus 2,3 Prozent); doch weil die Partei mit 5,1 Prozentpunkten gerade noch so eben weiter im Landtag vertreten ist, wird die FDP Regierungspartei – und Ruth Wagner wahrscheinlich neue Superministerin für Wissenschaft, Kunst, Kultur und Schulpolitik.
„Wer in der FDP ist, muß gute Nerven haben“, konstatierte Wagner in der Rückschau auf den Wahlabend: „Immer am Rande des Abgrundes.“ Aber ohne die FDP wäre der Wechsel nicht möglich gewesen, sagt sie dann selbstbewußt und mit Blick auf den Koalitionspartner. Soll heißen: Es bleibt bei zwei Ministerien für die FDP. Die habe der kleinere Koalitionspartner in Hessen schließlich immer bekommen, egal ob unter einer CDU- oder einer SPD-geführten Regierung. Das zweite Ministerium soll das Wirtschaftsressort sein.
Eine Pressekonferenz nach der anderen folgte gestern in Wiesbaden. Franz Josef Jung, parlamentarischer Geschäftsführer der Union und Wahlkampfmanager von Spitzenkandidat Roland Koch, freute sich zunächst einmal über das „wunderbare Wahlergebnis“ und darüber, „daß die CDU so viele junge Menschen an sich binden konnte“. Der Partei sei es mit dem „grandiosen Sieg“ in Hessen gelungen, auf der Bundesebene wieder zurück ins große Spiel zu finden, nämlich über den Bundesrat.
Mit vier Kernthemen hatte Jung im Wahlkampf die CDU nach vorne gebracht: Zunächst wurde der Kandidat Roland Koch bekannt gemacht, dann die Innere Sicherheit als Thema hochgezogen, schließlich der „Fehlstart in Bonn“ gegeißelt und zu guter Letzt mit der Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft die Wählerschaft mobilisiert. „Unsere Strategie ist voll aufgegangen“, freute sich Jung.
Der geschlagene SPD-Ministerpräsident Eichel bestätigte seine Einschätzung. Die SPD „hatte kein emotionalisierendes Thema von dieser Brisanz, das wir der Kampagne der Union hätten entgegenstellen können“. Im Gegenteil. Hinter dem Entwurf der Koalition in Bonn für ein neues Staatsbürgerschaftsrecht hätten auch nicht alle SPD-Wähler gestanden. Und ganz offenbar noch nicht einmal alle Sympathisanten der Grünen.
Der 40jährige Roland Koch wird nun also Ministerpräsident in Hessen werden, der jüngste in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Und wie sieht dann seine Integrationspolitik aus, um der es der Union bei der Kampagne ja eigentlich gegangen sein soll? Jung wollte Ruth Wagner nicht widersprechen, die schon einmal die erste Bundesratsinitiative der neuen Landesregierung ankündigte – auf der Grundlage der Vorstellungen der FDP zur Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes. Danach erhalten alle hier geborenen Kinder von Ausländern zwei Pässe, müssen sich aber im 18. Lebensjahr für einen der beiden entscheiden. Diese Variante, die eine Grundgesetzänderung notwendig macht, hätten immerhin 42 Prozent der Hessen in einer Umfrage vor der Landtagswahl befürwortet. Die Kampagne gegen den Doppelpaß, so der parlamentarische CDU- Fraktionsgeschäftsführer Jung, werde aber so lange weiter gehen, „bis Bonn zur Vernunft kommt“. Klaus-Peter Klingelschmitt
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