: Trotz Regierungswechsel ohne Job
■ Erwerbslose protestieren gegen die Untätigkeit der rot-grünen Regierung vor dem Arbeitsamt. Sie verlangen einen Ausgleich für die Belastung durch die Ökosteuer. Arbeitslosigkeit steigt wieder
Die Protestbewegung der Arbeitslosen ist wieder da – auf kleiner Flamme. Nachdem die Demonstrationswelle des vergangenen Jahres vor der Bundestagswahl verebbt war, versammelten sich gestern etwa 50 AktivistInnen vor dem Landesarbeitsamt in der Friedrichstraße und hielten eine halbe Stunde lang Transparente vor die Pressekameras. „Die Regierung wechselt, die Arbeitslosigkeit bleibt“, lautet das Motto der für die kommenden Monate angekündigten Kampagne.
Mitgebracht hatten die Erwerbslosengruppen einen Mängelbericht auf der Basis einer nicht repräsentativen Umfrage im Bekanntenkreis. Mehr als 90 Prozent der Befragten äußerte sich demzufolge unzufrieden darüber, was die rot-grüne Bundesregierung seit Oktober 1998 gegen die Arbeitslosigkeit getan hat. Die höchste Zustimmung – 21 Prozent – erhielt die Reformkoalition noch für ihr Vorhaben zur Schaffung von neuen Ausbildungsplätzen für arbeitslose Jugendliche. Kein Wunder: Gehört doch das Programm „100.000 Jobs für Junge“ zu den ganz wenigen Maßnahmen, die einen Vorteil des Regierungswechsels bislang erfahrbar machen.
Bei den anderen Themen wie „Umverteilung von Reichtum und Arbeitszeit“ oder „Einführung einer Grundsicherung“ begrüßten höchstens acht Prozent der Befragten die Bonner Politik. So nahm der Runde Tisch zur Koordinierung der Erwerbslosenaktionen auch eine weitere Forderung in seinen Katalog auf: Neuerdings verlangen sie einen finanziellen Ausgleich für die Ökosteuer, die Energie verteuert – mithin auch das Leben von Arbeitslosen. Denn Leute ohne Erwerbseinkommen müssen wie alle anderen mehr Geld für Heizung ausgeben, ohne allerdings umgekehrt in den Genuß der Lohnsteuersenkung zu kommen, von der nur der arbeitende Teil der Bevölkerung profitiert.
Eine einzelne Fahne hatte die Gewerkschaft IG Metall den AktivistInnen gestern spendiert. Die anderen roten Banner mußten bei den Warnstreiks für 6,5 Prozent mehr Lohn in den Betrieben mitmarschieren – ein Anlaß für Mitglieder der gewerkschaftlichen Arbeitslosengruppen, sich wieder einmal über die mangelnde Unterstützung durch die JobbesitzerInnen zu beschweren: „Lohnprozente nützen uns nichts.“ Das Gefühl mangelnder Solidarität kann IG-Metall-Sprecher Klaus Wosilowsky hingegen nicht verstehen. An vielen Warnstreikaktionen würden VertreterInnen der Erwerbslosen teilnehmen und deren Stimme in den Betrieben zu Gehör bringen. Hannes Koch
22. 2, 17 Uhr, öffentliches Plenum des Aktionsbündnisses Erwerbslosenprotest, Haus der Demokratie, Friedrichstraße, Tel. 20165362
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