: Wind und Wellen im Trocknen
■ Bremens Hochschule für Nautik hat einen neuen Manövrier-Simulator. Das Rent-a-Simulator-Programm wurde mit STN Atlas auf die Beine gestellt
„Tuuuuuuut“ tönt verzweifelt die Schiffssirene – zu spät: der 18-Meter Container-Riese versenkt stoisch zwei Frachter vor dem Kai von Brooklyn und dreht ruhig in Richtung Jersey ab. Ein Unfall in Echtzeit und trotzdem nicht echt – so wäre es um Haaresbreite gestern mittag passiert. Und spielte sich an der Simulationsbrücke der Bremer Hochschule, Fachbereich Nautik, ab – am Ruder Bringfriede Kahrs, die unter Leitung von Käptn Christof Marcus einen Schiffsführungs-Simulator im Wert von mehreren Millionen Mark „Volle Fahrt voraus“ schickte.
Gefühl für Manövrieren wird in Bremen schon seit den siebziger Jahren via Simultation unterrichtet – doch inzwischen war der damalige Prototyp nur noch „Technologie der Steinzeit“, kommentiert Ronald Mönch, der Rektor der Hochschule. So handelte die Hochschule ein Kooperationsangebot mit der Elektronikfirma STN Atlas aus und kaufte die hochmoderne Schiffsführung in einem Leasing-Vertrag: Gegen 160.000 Mark pro Jahr und bei einer Laufzeit von fünf Jahren. „Imagegewinn“ nennt Hermann Hattermann als Motivation für STN Atlas – und die Möglichkeit, auch künftig die technologische Nasenspitze vorn zu haben: Die Lieferfirma will und kann per Vertrag Erkenntnisse der Hochschulabsolventen für Forschung und Entwicklung nutzen. „Zum Beispiel könnten die uns in ihrer Diplomarbeit Software für eine Simulation des Hafens von New Castle, Australien, erarbeiten“, hofft Hattermann, selbst ehemaliger Student der knapp 200jährigen Bremer Hochschule für Nautik.
Vier Jahre studieren die künftigen Kapitäne und Diplomanden für nautisches Management: Und am Ende stehen nicht nur Zwiegespräche mit Wind und Wellen, sondern auch die Verantwortung für Besatzung und Schiff, Mann und Maus. Doch ist die Seefahrerei nicht mehr ausschließlich See“mann“sangelegenheit: Vierzehn künftige Schiffsingenieurinnen und Kapitäninnen zur See verließen im letzten Jahr den Fachbereich Nautik mit erfolgreichen Abschlüssen.
Im dichten Drängen der Frachter, Tanker und Containerschiffe müssen sie in der Lage sein, Radar und Satellitennavigation zu beherrschen, denn die Folgen eines Unfalls sind hoch und - mit Blick auf Tankerunglücke – für die Umwelt - oft unbezahlbar. An der Hochschule Bremen setzt man auf berufsbezogene Ausbildung um einen „Praxisschock“ der fertigen Studis zu vermeiden.
Mit ihrem neuen "Shiphandling-Simulator“ sollen die künftigen Offiziere und Kapitäne erst mal üben bei Wind, Wellen und Wetterwechsel zu manövrieren. Die hochmoderne Anlage versorgt den Kapitänsazubi mit allen wichtigen Informationen der Steuerung, um später auf den Straßen des Meeres nicht in Fehldaten herumzuschwimmen, begleiten die Augen aufmerksamer Ausbilder die ersten Fahrversuche. Den Blick auf eine breite, bunte Großbildschirmleinwand gerichtet, bewegt sich der Steuermann mit einem vollbeladenen Containerschiff durch den Bremerhavener Hafen oder an der Manhattener Skyline in den Hafen New Yorks.
Neben optischer Klarheit tragen auch akustische Reize zum vollendeten Vorstellungsvermögen bei. „We will go, it–s morning“ fordert die Computerstimme auf, die Schiffsglocke ertönt – Leinen los und über slow, fast und full wird die Maschine in Betrieb genommen. Die Fahrt vollzieht sich an der maßstabsgetreuen Schiffsbrücke mit Steuerstand, Maschinenkonsole und Radargerät in Echtzeit. Das Anti-Kollisionsprogramm wird von den Lernwilligen „nicht nur wegen des Spaßfaktors begeistert aufgenommen“ meint Student Frank Schmitz.
Ausgedehnt wird der „Spaßfaktor“ aber nicht – dafür sorgt schon der Instruktor über Gegensprechanlage. Ulrike Löw
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