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Volk begehrt, Volk drängt

■ Heute entscheidet der Senat, ob "Mehr Demokratie" das Parlament per Zeitungsannonce zur Verfassungsänderung drängen darf. Organisatoren weisen Vorwurf der Nötigung zurück

Kann das Land Berlin per Volksentscheid gezwungen werden, Zeitungsannoncen zu schalten? Nein, glaubt offenbar Innensenator Eckart Werthebach (CDU). Ja, glauben die Initiatoren des Volksbegehrens „Mehr Demokratie“. Sie wollen erreichen, daß die BerlinerInnen künftig direkt über Verfassungsänderungen abstimmen können.

Dazu aber muß zunächst die Verfassung geändert werden, und dieses Recht ist derzeit noch dem Abgeordnetenhaus vorbehalten. Deshalb hat sich „Mehr Demokratie“ einen Trick ausgedacht: Statt über eine Verfassungsänderung sollen die WählerInnen über ein Gesetz abstimmen, das den Senat dazu verpflichtet, sich selbst und die Abgeordneten einmal im Jahr per Inserat in den fünf auflagenstärksten Berliner Tageszeitungen an die fällige Verfassungsänderung zu erinnern.

Werthebach will seinen Senatskollegen heute vorschlagen, das Volksbegehren für unzulässig zu erklären. Offiziell lehnte die Innenverwaltung im Vorfeld der Entscheidung zwar jede Stellungnahme ab, nach Informationen von „Mehr Demokratie“ aber sehen die Bürokraten in der Annoncen-Idee eine unzulässige Umgehung des Verbots von Verfassungsänderungen per Volksentscheid – schließlich würde das Parlament durch die Inserate zur Verfassungsänderung geradezu gezwungen.

Kein Wunder also, daß sich die Befürworter des Volksbegehrens gestern mühten, den Vorwurf der „Nötigung“ aus der Welt zu schaffen. „Das ist normale politische Druckausübung“, sagte der Verfassungsexperte Otmar Jung von der Freien Universität. Die Initiatoren wollten nicht die Verfassung ändern, sondern die politische Willensbildung fördern. Die Vorbehalte der Innenverwaltung seien daher „unbegründet“. Sollte der Senat das Volksbegehren nicht zulassen, will „Mehr Demokratie“ vor das Verfassungsgericht ziehen.

Vor einem Monat hatten die Initatoren der Innenverwaltung 37.929 Unterschriften übergeben, von denen die Behörde 33.732 als gültig anerkannte. Für die Zulassung eines Volksbegehrens sind 25.000 Unterschriften erforderlich. In der nächsten Stufe müßten sich 250.000 Berliner zur Unterschrift in ihr Bezirksamt begeben. Erst dann könnte am 10. Oktober mit der Wahl zum Abgeordnetenhaus die eigentliche Volksabstimmung stattfinden. Ralph Bollmann

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