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„Kein Bekenntnisunterricht an der Schule“

Bei einer Diskussion zum Thema „Wieviel Religion braucht Schule?“ sprachen sich vor allem SchülerInnen nichtdeutscher Herkunft gegen eine Erziehung zur Gläubigkeit aus. Der Staat müsse Religionsunterricht besser kontrollieren  ■ Von Jeannette Goddar

Als die Muslimin Gühlan Gögce zehn war, hat sie sich heimlich in den evangelischen Religionsunterricht geschlichen, obwohl ihre Eltern ihr das verboten hatten. Viel gelernt habe sie dort, erzählt sie. „Ich fand es ganz toll, dort zu erfahren, warum die Christen eigentlich Weihnachten feiern. Außerdem war ich ganz stolz, weil ich dort auch über den Islam erzählen durfte. Es ist doch wichtig, andere Kulturen nachvollziehen zu können. Dazu bietet Religionsunterricht eine gute Gelegenheit.“ Heute ist Gühlan Gögce Schulsprecherin und saß als solche am Donnerstag abend auf dem Podium bei einer Diskussion zu der Frage: Wieviel Religion braucht die Schule?

Deutlich wurde bei der Debatte im Fahrradkeller der Schöneberger Sophie-Scholl-Schule vor allem, wie meilenweit die Vorstellungen voneinander entfernt sind: Während die CDU-Vertreterin Hannelore Treutel wie die evangelische Pfarrerin Dagmar Apel der Überzeugung waren, Menschen benötigten am Glauben orientierte Richtlinien und die Schule sei ein geeigneter Ort, Jugendlichen auch eine „gewisse Gläubigkeit“ zu vermitteln, wiesen vor allem die anwesenden Immigranten das weit von sich.

„Bekenntnisunterricht hat an der Schule nichts zu suchen“, konstatierte der Islamwissenschaftler Ralph Ghadban. Daß Religion „eine rein private Sache ist“, fand auch der Bündnisgrüne Murat Sengül. Und auch die Schulsprecherin meinte, es sei wohl nicht wünschenswert, daß künftig aus der Türkei eingeflogene Imame an Berliner Schulen unterrichten.

Das allerdings könnte bald der Fall sein: Von seiten der Islamischen Föderation wird seit dem Bundesverwaltungsgerichtsurteil zum islamischen Unterricht mit Hochdruck an der Unterrichtsgestaltung in eigener Regie gearbeitet. „Wir gehen davon aus, daß wir im September anfangen können“, so ein Sprecher. Nach Angaben von Murat Sengül hätten sich andere islamistische Organisationen wie die „Arabischen Muslim-Brüder“ längst in die Planung eingeklinkt. „Sämtliche Islamisten kommen da inzwischen zusammen“, so Sengül, „das ist doch viel einfacher, als wenn jetzt jeder einzelne Verein 17 Jahre lang prozessiert.“

Kritisiert wurde angesichts dessen vor allem das Berliner Schulgesetz, das durch den Verzicht auf regulären Religionsunterricht eine staatliche Aufsicht ausschließt und statt dessen den freiwilligen Unterricht dem Walten und Schalten der Glaubensgemeinschaften überläßt. „Auch die Christen hat es viel Blut und Kriege gekostet, zu einem säkularen Staat zu kommen“, resümierte Ghadban, „und zu dem gehört auch die Aufsicht des Schulunterrichts.“ Schließlich seien Religionen nun einmal „theologische Systeme, die sich gegenseitig ausschließen“.

Heftig kritisiert wurde aber auch die Langsamkeit seitens der Schulverwaltung, die erst jetzt einen Entwurf für einen Modellversuch „Islamkunde“ an einigen Berliner Schulen vorgelegt hat. „Wie das faktisch aussehen soll, weiß aber auch der Türkische Bund immer noch nicht“, so Sengül. Es darf wohl davon ausgegangen werden, daß in dem Modellversuch staatlich geprüfte Lehrer in deutscher Sprache das Fach Islamkunde anbieten, wo wiederum neben dem Islam auch andere Religionen besprochen werden sollen. Angesichts der finanziellen Lage, so Sengül, könne man aber nicht damit rechnen, daß es in absehbarer Zeit ein Regelfach Islamkunde in Berlin geben würde.

Angesichts des anstehenden islamischen Unterrichts sorgten sich bei der Debatte vor allen Dingen einige Eltern – unabhängig davon, wie und von wem der Unterricht organisiert werden sollte. Ein Vater, der fand, Schule müsse völlig „ideologie- und religionsfrei“ sein, machte zu der geforderten Wertevermittlung für alle Kulturen dann auch gleich einen konstruktiven Vorschlag: „Den Islam kann man doch auch ganz hervorragend anhand von Lessings ,Nathan der Weise‘ nahebringen.“

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