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Keine Palme ist keine Palme

Statt über Müll im Meer und verendete Delphine erregen sich die Thailänder über die künstliche Drehkulisse für die Verfilmung des Traveller-Romans „Der Strand“. Vorwurf: Umweltzerstörung  ■ Von Volker Klinkmüller

Wer schläft, der sündigt nicht. Und wer Bäume pflanzt, schon gar nicht. Oder doch? Im thailändischen Urlaubsort Krabi ist die Hölle los, weil der Strand vom Müll befreit und 92 neue Palmen in den Sand gesetzt wurden.

Die künstlich aufbereitete Landschaft dient als Kulisse für die Romanverfilmung von „Der Strand“. Bis der Film bei uns in die Kinos kommt, könnte vielleicht auch schon gerichtlich geklärt sein, ob das rund 200köpfige Filmteam der „20th Century Fox“ gesetzeswidrig gehandelt hat oder nicht.

Da der Roman „Der Strand“ (München 1997) in Thailand spielt, hatte es auch nahegelegen, ihn dort zu verfilmen. In seinem vielbeachteten Erstlingswerk setzt sich der britische Autor Alex Garland mit den Wünschen, Träumen und Problemen der Traveller-Szene auseinander: In Bangkoks Ausländerviertel Khaosarn Road stirbt ein Rucksacktourist unter mysteriösen Umständen. Sein Zimmernachbar Richard – für 20 Millionen Dollar Gage gespielt von Titanic- Star Leonardo Di Caprio – findet eine geheimnisvolle Landkarte mit Hinweisen auf ein verborgenes Paradies im südlichen Thailand, das er schließlich auch aufspürt.

Titanic-Star Di Caprio „vergewaltigt Strände“

Die dortige Kommune lebt von Fischfang, Gemüsezucht, huldigt dem Müßiggang und bedient sich regelmäßig in einer Marihuana- Plantage, die einem ehemaligen Fischer gehört und von bewaffneten Einheimischen bewacht wird. Doch mit der Zeit entpuppt sich die Idylle als trügerisch. Es kommt zu Streitigkeiten und Versorgungsproblemen, Unfällen und sogar Toten. Richard entkommt dem vermeintlichen Paradies schließlich auf einem Floß von der Insel.

In der Romanvorlage spielt die Geschichte auf einer nicht näher benannten Insel des Angthong- Archipels im Golf von Thailand, zu dem auch die bekannten Urlauberinseln Koh Samui und Koh Phangan gehören. Als Drehort für die Verfilmung wurde jedoch die Insel Koh Phi Phi ausgewählt, die im Andamanischen Meer liegt und zur Provinz Krabi gehört.

120 Kilometer Küste und rund 130 vorgelagerte Inseln vereinen sich zu einer bizarren Meereslandschaft. Eine phantastische Welt aus Sandstränden, Lagunen, Korallengärten, Mangroven-Sümpfen, Höhlen und steil in den Himmel ragenden, dschungelüberwucherten Felstürmen, wie es sie sonst nur noch in der Halong-Bay von Vietnam oder bei Guilin in China gibt.

Erst Mitte der 80er Jahre fanden die ersten – vom Kommerz aus Phuket vertriebenen – Reisenden hierher, doch die Reize dieses Fleckchens Erde sprachen sich schnell herum. Krabi entwickelte sich in einem atemberaubenden Tempo zum Pauschalreiseziel, das nun sogar schon einen eigenen Flughafen bekommen hat.

Angesichts der großartigen Naturkulisse zieht es auch Hollywood-Regisseure und Werbefilmer immer wieder hierher. Darüber hinaus war Thailand bisher bei internationalen Produzenten wegen seiner guten Infrastruktur und des erfahrenen Filmpersonals beliebt.

Die Produzenten von „Der Strand“ entschieden sich für den Maya-Strand auf der Insel Koh Phi Phi Le, die nur drei Kilometer von ihrer größeren – durch ihre beiden sichelförmigen Sandbuchten weltbekannte – Schwesterinsel Koh Phi Phi Don entfernt liegt. Um mit den Dreharbeiten beginnen zu können, mußten dort erst einmal zwei Tonnen angeschwemmten Unrats eingesammelt werden. Später wurden mit einer Planierraupe Sand bewegt und entsprechend der Roman-Vorlage zahlreiche neue Palmen gesetzt. Eigentlich ist gar nicht einmal auszuschließen, daß sich hier schon früher einmal die klischeebehafteten Tropenbäume im Wind gebogen haben.

Obwohl die Filmemacher versprachen, den ursprünglichen Zustand des Maya-Strands wieder herzustellen – also ohne Palmen –, und als Garantie für ihre Zusagen einige Millionen Baht, rund 50.000 Mark, hinterlegten, rückten Demonstranten mit Booten, Anwälten, Megaphonen und Transparenten zu den Dreharbeiten an. Denn plötzlich galt dieser Strand als unberührte Natur, die von den Behörden erteilte Drehgenehmigung als illegal und die eingesetzten Bäume als Ruin des gesamten Biotops.

Die thailändische Anwaltskammer hat im Namen von 19 Klägern aus Krabi Klage gegen das Landwirtschaftsministerium, das zuständige Forstamt, die Filmgesellschaft „20th Century Fox“ und ihre thailändische Partnerfirma erhoben. Begründung: Geltendes Umweltrecht sei verletzt worden. Veränderungen am Strand seien nur zu Studienzwecken, für Forschung und Umweltschutz oder den Tourismus zulässig.

Zwar wies das Gericht den Antrag auf einen sofortigen Filmstopp auf Koh Phi Phi zurück, ließ aber eine zivile Klage auf Schadenersatz gegen die Produktionsgesellschaft zu. Anfang Februar kam es während einer Protestbriefübergabe zu häßlichen Auseinandersetzungen. Der Forstamtsleiter sagte später, er habe sich von den aufgebrachten Demonstranten „wie ein Tier“ behandelt gefühlt.

Verseuchtes Wasser interessiert nicht

Sogar Hauptdarsteller Leonardo Di Caprio wurde ausnahmsweise nicht nur von weiblichen Fans und Journalisten bedrängt: Zwei Demonstranten-Boote hatten Kurs auf sein Luxushotel genommen und ihn mit Transparenten wie „Vergewaltige nicht unseren Strand!“ oder „Hör auf, unsere Gesetze und Herzen zu brechen!“ konfrontiert.

Täglich geschändet und nachhaltig zerstört wird der Maya- Strand auf der unbewohnten Insel Koh Phi Phi Le jedoch vor allem durch die täglich anrollende Touristenlawine und das fehlende Umweltbewußtsein der Einheimischen. Das gilt in besonderem Maße auch für die umliegenden, bereits erheblich in Mitleidenschaft gezogenen Korallengärten und die Schwesterinsel Koh Phi Phi Don, auf der sich Bungalow- Anlagen und Restaurants aneinanderquetschen.

In der Hochsaison ist dieser kleine Archipel, der als Hauptausflugsziel von Phuket und Krabi von mehreren tausend Tagestouristen angesteuert wird, völlig überlaufen. Obwohl diese Gegend bereits 1981 zum „Nationalpark“ erklärt worden ist, knattern ununterbrochen Ausflugsboote und Fährschiffe von den Felsen wider, abends dröhnen überall die Stromgeneratoren.

„Viele Bungalows und Restaurants sind völlig verdreckt und absolut überteuert“, beschreibt das Thailand-Handbuch aus dem Stefan-Loose-Verlag – die legendäre orange Südostasienbibel – die Zustände auf der Insel. „Wilde Bautätigkeit hat um sich gegriffen, viele Kokospalmen werden gekappt, das Wasser ist knapp und brackig – Koh Phi Phi ist in der Saison kein Traumziel mehr. Schockierte Reisende flüchten schon nach der ersten Nacht.“ Und wer es dort aushält, muß mit der Befürchtung leben, daß der hinterlassene Müll zumindest noch teilweise auf Boote verladen und nachts weiter draußen einfach ins Meer gekippt wird.

Kein Tag vergeht ohne Hiobsmeldungen aus dem Bereich Natur und Umwelt: unglaubliche Korruptions-Skandale beim illegalen Holzeinschlag, enorme Wasserprobleme, vergiftete Anwohner von Industrieanlagen, verendete Fische in umgekippten Flüssen, Kampf gegen Fischereischutzzonen an der Küste, in Fangnetzen verendete Delphine, aus einem Restaurant-Gehege befreite Raubkatzen, säckeweise beschlagnahmte, für Kochtöpfe bestimmte Schlangen, ein von Siedlern angeschossener Wild-Elefant – um nur einige Beispiele zu nennen.

James-Bond-Drehort wurde zur Kultstätte

Daß der Krieg gegen die Natur besonders gut in Urlaubsgebieten funktioniert, dokumentiert sich nicht allein auf Koh Phi Phi. Zu den ältesten Beispielen zählt die anhaltende Zerstörung der Bade- Insel Koh Samet, die seit 1981 ebenfalls zu Thailands Nationalparks zählt. Dort sind bisher alle Versuche gescheitert, die ausufernden, teilweise illegalen Bungalow-Anlagen und das Müllproblem in den Griff zu bekommen.

Der Grundwasserspiegel ist so weit gefallen, daß das verbleibende Brunnenwasser kaum noch zu verwenden ist und das lebensnotwenige Naß mit Tankbooten vom Festland herangeschafft werden muß. Umherrasende Jet-Skis und Water-Scooter verleiden den Aufenthalt am Strand.

Inzwischen gibt es dort schon 50 Bungalow-Anlagen, ein Unterwasserstromkabel zum Festland, die ersten zehn Kilometer asphaltierte Straße und die allererste Autofähre. Obwohl es sich auch bei der „Elefanten-Insel“ weitgehend um einen Nationalpark handelt, wurden – ohne jegliche Reaktion irgendwelcher Umweltschützer oder Medien – mehrere Garnelenfarmen eingerichtet, deren verseuchte Abwässer Boden, Grund- und Meerwasser belasten.

Ohnehin ist es um den Golf von Thailand schlecht bestellt. Gerade erst haben Wissenschaftler vor der Küste bei Rayong verschiedenes Meeresgetier entdeckt, das aufgrund industrieller Verunreinigung Mutationen aufweist.

Angesichts derartiger Probleme wirken die Äußerungen von Mega-Star Leonardo Di Caprio wie eine unverständliche Entschuldigung. „Ich liebe Thailand“, beteuerte er während der Dreharbeiten „und ich würde nie etwas tun, was der Natur schaden könnte!“

Die Frage ist jedoch, wie viele Touristen das Land verkraften kann. Insgesamt waren es im Rekordjahr 1998 rund 7,7 Millionen Ausländer. Schon jetzt läßt sich absehen, daß die Verfilmung von „Der Strand“ zusätzliche Touristenscharen anlocken wird. Während der gerade ausklingenden Hochsaison waren etwa Phuket und Koh Samui so überlaufen, daß das Tourismusministerium die Besucherströme umlenken mußte.

Was ein Film bewirken kann, zeigt ein anderer Kinoschlager: Der James-Bond-Streifen „Der Mann mit dem goldenen Colt“, der vor rund 25 Jahren ganz in der Nähe der Phi-Phi-Inseln gedreht wurde. Der Drehort ist heute eine große Touristenattraktion geworden. Ausflugsfahrten zur einstigen Filmkulisse gleichen allerdings aufgrund des gewaltigen Andrangs eher einem Horrortrip als einem großartigen Naturerlebnis.

Und so richtig sensibel war man bei den Dreharbeiten vor einem Vierteljahrhundert auch nicht: Damals war ein Felsen erst einmal mit Sprengstoff bearbeitet worden, um ihm den letzten Schliff als Filmkulisse zu verleihen.

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