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„Kosovo ist serbisches Jerusalem“

■ Als Folge der Drohungen der Nato scharen sich immer mehr Serben hinter Slobodan Milošević. Medien stimmen auf den Nato-Schlag ein

Das „Gewerkschaftsheim“ im Zentrum Belgrads war randvoll. Plakate mit der Parole „Kosovo ist in unseren Herzen“, „Kosovo ist serbisches Jerusalem“ und die obligatorischen Milošević-Bilder zierten den Raum. „Nie werden Nato- Stiefel über serbischen Boden stampfen!“ schrie mit bebender Stimme Bratislava Morina, die Präsidentin des „Frauenbundes Jugoslawiens“. Damit hatte sie sich den euphorischen Applaus der anwesenden Frauen und Mütter Serbiens verdient. „Kovoso! Kosovo!“ dröhnte es vor den Kameras des Staatsfernsehens. Serbiens Patriotinnen bestellten der Welt wie den einheimischen „Verrätern und Feiglingen“: Wir werden unser Leben für Kosovo geben!

Ähnliche Kundgebungen werden zur Zeit in ganz Serbien organisiert. Gewerkschaften, Arbeitskollektive, Schüler- und Rentnervereine, der Bund der Kriegsveteranen und Invaliden, Schriftsteller und Fleischer scharen sich hinter Slobodan Milošević. Als wäre ein staatlicher Wettbewerb für Vaterlandsliebe ausgeschrieben worden, wird in den regimenahen Medien ganztägig über „albanische terroristische Banden und ihre amerikanischen und europäischen Mentoren“ fabuliert, über das „tapfere serbische Volk“, das niemals in seiner Geschichte vor „faschistischen“ Drohungen in die Knie gegangen sei. Serbien müsse alle „freiheitsliebenden Länder“ im Kampf gegen die „Okkupationsmacht Nato“ anführen, teilte Miloševićs Gattin, Mirjana Markovic, ihren VolksgenossInnen mit.

Das Regime befürchtet offenbar, nicht genug Menschen auf den Straßen Serbiens versammeln zu können, und so sollen eben die elektronischen Medien den Eindruck vermitteln, das ganze Volk stünde geschlossen hinter Milošević. Immer weniger Serben wagen es, die Kosovo-Politik des Regimes zu kritisieren, keiner will als Verräter gebrandmarkt werden.

Das serbische Parlament bezeichnete gestern die Kosovo- Konferenz in Paris als einen „Riesenbetrug“. Auf die Schnelle habe man Serbien einen katastrophalen Vertrag aufzwingen wollen, heißt es in offiziellen Erklärungen. Was Milošević selbst zu sagen hatte, teilte er der internationalen Gemeinschaft in einem Brief an den britischen Außenminister Cooke und seinem französischen Kollegen Védrine mit: „Was Ihre Drohungen mit einer Militärintervention der Nato angeht, so sollten sich Ihre Völker schämen, weil sie sich darauf vorbereiten, Gewalt gegen ein kleines europäisches Volk anzuwenden, das sein Territorium vom Separatismus, seine Bürger vom Terrorismus und seine historische Würde vor Halunken verteidigt, die weder wissen, was Geschichte, noch was Würde ist.“

Man fordere von Serbien, so Milošević weiter, ein Abkommen zu unterzeichnen, das gar nicht existiere. Seiner Auffassung nach wurden in Paris zwei Dokumente unterzeichnet: eines, das die jugoslawisch-serbische Delegation samt (handverlesener) „Vertreter aller Volksgruppen“ im Kosovo signiert hätten, und ein anderes, das Vertreter der „albanischen separatistischen und terroristischen Bewegung“ unterzeichnet hätten, die „natürlich nicht die Vertreter des Kosovo sind“. Mit dem letzteren meint Milošević das von der kosovo-albanischen Delegation unterzeichnete Abkommen von Rambouillet. Andrej Ivanji, Belgrad

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