: Ein Kampf, der umsonst ist
■ Überall klagte der Springer-Verlag gegen gratis verteilte Zeitungen. Nun macht er selbst eine
Umsonst gibt es in der Welt der bunten Medien inzwischen eine Menge. Werbung an jeder Ecke, Privat-TV rund um die Uhr oder in Berlin immer nacheinander ein 14-Tage-Abo der Berliner Zeitung, die dringend Auflage braucht. Anderswo aber gehören Zeitungen noch zu den Medien, die richtig Geld kosten – obgleich auch für sie Reklame die Haupteinnahmequelle ist. Allenfalls das Wochenblatt, das jede Woche den Briefkasten verstopft und bar jeden lesenswerten Inhalts ist, bekommt man nachgeschmissen.
Das wird nun anders: Umsonst verteilte Zeitungen – mit besseren Inhalten als jenes Anzeigenblatt – gelten den aggressiveren unter den Verlagsmanagern als das neueste Mittel im Kampf um Anteile am Werbemarkt. Für andere bedeutet es den Tod des Journalismus, wenn es ihn umsonst gibt.
In der Hamburger U-Bahn zum Beispiel wird heute früh zum dritten Mal Hamburg mobil verteilt, ein Monatsblatt, das die dortige Hochbahn AG zusammen mit dem Axel-Springer-Verlag in 60.000 Exemplaren fabriziert. Und das ist schon der dritte Versuch mit dem Umsonstprinzip. Den Anfang machte der Freiburger Verleger Michael Zäh Ende 1997 mit seiner Zeitung zum Sonntag (ZuS). Der kleine Verleger brach die Regeln im unter den Großen aufgeteilten Markt. Besonders angegriffen fühlte sich der Springer-Verlag, der als Sonntagsmonopolist mit Bild am Sonntag und Welt am Sonntag fest auf allen Vertriebswegen am Tag des Herrn sitzt.
Gegen diese Macht kommt man nur umsonst an, weil der Aufbau eines Konkurrenzvertriebs viel zu teuer ist. Das Prinzip hatte schon Springers Erzkonkurrent Gruner + Jahr in Ostdeutschland erfahren müssen, wo er vor Jahren einen halbherzigen Versuch mit Selbstbedienungskästen aufgab, nachdem Springer ihn gerichtlich torpediert hatte. Als aber der Kleinverleger Zäh vor Gericht gegen Springer gewann, kaufte sich G+J mit 50 Prozent bei dessen Blatt ein und verkündete eine Offensive: Noch im Frühjahr sollen Ableger in Karlsruhe und Heilbronn gestartet werden.
Der zweite Versuch trägt den Namen 15 Uhr aktuell. Die Gratis- Tageszeitung wird seit Oktober 1998 in einer Auflage von 100.000 Stück nachmittags in Berlin verteilt – wieder waren es unerfahrene Kleinverleger, die den Angriff wagten. Und wieder glaubte der Springer-Verlag die Existenz seiner Zeitungen bedroht und klagte. Doch das Landgericht entschied am Freitag für 15 Uhr aktuell. Weil, so die Urteilsbegründung, das Blatt „als einzige Nachmittagszeitung nicht in direktem Konkurrenzverhältnis zu anderen Tageszeitungen steht“. Damit den beiden Verlegern Michael Bielski und Robert Sidor das Geld nicht ausgeht, verhandeln auch sie nun über Beteiligungen – mit wem, sagen sie nicht. „Aber schnell wird es jetzt gehen“, verspricht Sidor.
So werden sich am Ende wieder die Giganten der Branche gegenüberstehen. Auf der einen Seite kämpft Bernd Kundrun, verantwortlich für das Zeitungsgeschäft von G+J. Auf der anderen Seite agiert Claus Larass, Springers Zeitungsvorstand. Kundrun pflegt seinen Ruf als aggressiver Manager – einst bei der G+J-Mutter Bertelsmann, in seinem neuen Job mit der Berliner Zeitung oder der geplanten deutschen Financial Times. Die meisten Nöte verschaffte er den Angegriffenen bei Springer: Den Angriff parieren oder vereiteln? Larass machte beides. Einerseits die Klagen gegen ZuS und 15 Uhr aktuell. Auf der anderen Seite nun Hamburg mobil. „Das ist kein Gegensatz“, erklärt Springer- Sprecher Kay Oberbeck: „Wir wehren uns dagegen, daß journalistische Publikationen verschenkt werden. Das sind keine Anzeigenblätter, sondern richtige Zeitungen – so etwas gefährdet den Bestand der Tageszeitungen.“ Hamburg mobil dagegen sei nur eine „monatliche Kundenzeitschrift“.
Fest steht, daß der Deal mit der Hochbahn AG ein kluger Schachzug war. „Springer“, glaubt Frank Willers, bei G+J zuständig für Anzeigenblätter, „will den Markt ausloten und Anzeigenkunden gewinnen“. Drastischer sagt es 15 Uhr aktuell-Verleger Sidor: „Diese Springer-Zeitung ist nur ein Marktverhinderer, weil auf die Art niemand anders mehr mit der Hochbahn ins Geschäft kommen kann.“ Ein Schimpfen mit Vorgeschichte: Im letzten Jahr hatte eine Tochter des Bauer-Verlages versucht, eine Zugzeitung mit der Hamburger S-Bahn herauszugeben. In letzter Sekunde wurde das Projekt gestoppt, denn die Deutsche Bahn AG als S-Bahn-Mutter zog ihre Zustimmung zurück. Angeblich hatte ein „namhafter Großverlag“ Druck ausgeübt.
Was das mit der „vollwertigen Zeitung“ angeht, hat Springer bezogen auf das eigene Produkt jedenfalls recht. Während es sich bei ZuS und 15 Uhr aktuell durchaus um Blätter handelt, die den Namen Zeitung verdienen, ist Hamburg mobil eine Zumutung. Die Mischung aus alten Geschichten ist uninteressant, die Fotos satiretauglich. Aber, versichert Geschäftsführer Manfred Heinz, das Produkt werde „hervorragend angenommen“. Helena Jagusch
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