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Parlament streitet um Mahnmal

■  SPD und Opposition kritisieren in Parlamentsdebatte den von der CDU herbeigeführten Beschluß des Senats, den Wettbewerb auszusetzen. Bundestag soll vor der Sommerpause entscheiden

Die SPD und die Oppositionsparteien Grüne und PDS haben gestern die Senatsentscheidung zum Holocaust-Mahnmal scharf kritisiert. Die CDU hatte in der vergangenen Woche in einer – im Senat unüblichen Kampfabstimmung – beschlossen, daß der Senat als einer der drei Auslober des Mahnmals das Wettbewerbsverfahren aussetzt.

Der SPD-Abgeordnete Nikolaus Sander warf dem Koalitionspartner gestern vor, damit gegen einen Parlamentsbeschluß vom Herbst 1998 verstoßen zu haben. Damals hatte sich das Parlament mit den Stimmen von CDU und SPD dafür ausgesprochen, daß der Bundestag noch vor dem Regierungsumzug über die Gestaltung des Mahnmals „im Zentrum Berlins“ entscheidet. Die CDU habe mit ihrem Vorgehen dem Ansehen der Stadt geschadet, befanden SPD und PDS.

Kritische Worte mußte sich auch Kultursenator Peter Radunski anhören: „Was ist das für ein Kultursenator, der sich im Sommer landauf, landab für einen Entwurf ausspricht, der auf eine zügige Beendigung des Verfahrens drängt und dann aus parteipolitischer Räson in einer so zentralen politischen und nicht parteipolitischen Frage einknickt?“ fragte Sander. Auch die PDS-Abgeordnete Carola Freundl sprach von einem „gewollten Affront“ der CDU-Mehrheit im Senat. Die CDU habe das Mahnmal zum „Gegenstand eines billigen Triumphs gemacht“.

Sander verwarf den Vorschlag des SPD-Bundestagsabgeordneten Richard Schröder, den Diepgen sich zu eigen gemacht hat. Schröders Idee, einen Stein mit der Inschrift „Nicht morden“ aufzustellen, sei „gedanklich und ästhetisch rückwärtsgewandt.“ Der von Schröder unterstützte Entwurf sei bereits im ersten Wettbewerb aus guten Gründen auf einem hinteren Platz gelandet. Sander konnte immerhin einen Fortschritt erkennen: Mit dem Votum für den Schröderschen Gedenkstein habe Diepgen zum ersten Mal den Standort des Standortes am Brandenburger Tor akzeptiert. Auf Ablehnung stieß der Schröder-Vorschlag auch bei Grünen und PDS. Einem Antrag der CDU, der für die Realisierung des Schröder-Vorschlags plädierte, gaben SPD, Grüne und PDS daher keine Chance.

Die Debatte, die verspätet begann, weil der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) wegen eines ausgefallenen Fluges nicht rechtzeitig eintraf, dauerte bei Redaktionsschluß noch an. Es zeichnete sich jedoch ab, daß der gemeinsame Antrag von SPD und CDU mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen verabschiedet werden würde. Darin wird der Bundestag aufgefordert, noch vor der Sommerpause eine Entscheidung zur Gestaltung des Holocaust-Mahnmals zu treffen. Diesem Minimalkonsens wollten die Grünen dem Vernehmen nach nicht zustimmen. Grüne und PDS hatten jeweils einen eigenen Antrag eingebracht, die aber nicht mit einer Mehrheit rechnen konnten. Dorothee Winden

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