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Der Oma-Faktor

Vorbild statt Dogma und auch mal Pudding aus der Tüte: Wie man dem Nachwuchs gesunde Ernährung schmackhaft macht  ■ Von Gernot Knödler

Vollkornnudeln finden Kinder „einfach scheiße“. Der das behauptet, muß es wissen. Schließlich werden in Jens Witts Firma Wackelpeter täglich 700 bis 800 Ökomahlzeiten für Kindergärten gekocht und offenbar auch verzehrt. Also sucht Witt, was die meisten Kinder-Köche mit Vollwert-Anspruch suchen: den Kompromiß.

Bevor seine kleinen Kunden am gesunden Essen verzweifeln und es womöglich auf lange Sicht mit Teigwaren verbinden, die so aussehen, als seien sie in Spülwasser gekocht worden, fährt Witt lieber weiße Nudeln auf. „Es gibt auch helle Bio-Nudeln“, sagt der Koch und studierte Ernährungswissenschaftler entschuldigend. Witts Firma verzichtet auch auf Honig als Süßmacher. „Das schmeckt immer irgendwie durch“, gibt er zu bedenken und läßt statt dessen mit Vollrohrzucker süßen.

Franz Rainer, zweiter Koch bei De Köök (plattdeutsch für: die Küche), besteht zwar auf Honig als Süßstoff, arbeitet ansonsten aber ähnlich pragmatisch wie Witt. Das Problem sei, daß nicht alles vollwertig angeboten werden könne. Den Pudding von Dr. Oetker zum Beispiel äßen die Kinder einfach lieber. „Und wenn sie das lieber mögen, dann macht man's halt so“, sagt Rainer.

Dieser Ansatz ist schon recht nahe an Heike Heinrichs Rezept: Die Kundenbetreuerin bei Essen für Kinder setzt aufs Zuckerbrot, sprich ab und zu ein „Highlight“ im Speiseplan, das dem nahekommt, mit dem die Kleinen außerhalb der Kita so bombardiert werden: (Vollkorn-)Milchreis, Kompott und weiße Nudeln.

Entscheidend dafür, ob Kindergartenkinder vom gesunden Essen überzeugt werden können, sind nach Ansicht Heinrichs Vorbilder. „Eigentlich ist das mehr oder weniger die Arbeit der ErzieherInnen“, sagt sie. „Wenn die die Nase rümpfen, klappt's nicht.“ Auch nicht, wenn sie sich heimlich in der Ecke die Schokoriegel reinschieben oder das gesunde Essen mit dem erhobenen Zeigefinger zu propagieren suchen, glaubt Jens Witt.

Das beste Vorbild in seinen Augen funktioniert nach dem Muster der Oma. „Oma ist unschlagbar“, sagt Witt. „Die kann kochen, was sie will – das ist immer der Brüller.“ Der wesentliche Faktor für den großmütterlichen Erfolg ist allerdings, daß sie sich Zeit nimmt fürs Kochen und die Enkel mitarbeiten läßt, wie Witt glaubt. So sehen die Mädchen und Jungen, was drin ist im Essen, wie das aussieht, wie es im Rohzustand schmeckt und daß eine breite Palette ganz verschiedener Körner-, Obst- und Gemüsesorten verwurstet werden kann.

Dazu kommt für Traute Krösche, die wie Rainer bei De Köök mitarbeitet, die Form der Mahlzeit: „Essen ist heute kein Hauptthema des Alltags mehr“, kritisiert sie. Eine gemeinsame Mahlzeit am Tag sei in vielen Familien nicht mehr üblich. Um die Kinder umzugewöhnen schlägt sie vor, aus der ganzen Esserei ein Projekt zu machen – vom Einkaufen übers Kochen bis hin zum Verspeisen.

Und wenn dann noch einer erklärt, wie die Alternative aussieht, daß hinter den meisten ach so appetitlichen Sachen aus dem Supermarkt „immer dasselbe steckt“, müßten Körner und Rohkost eigentlich eigene Strahlkraft entwickeln, hofft Jens Witt. Etwa in Kontrast zum Cola-Beispiel: „Das Zeug da drin ist so billig, daß die Dose mehr kostet als der Inhalt.“

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