piwik no script img

■ Wir bauen die HauptstadtWarten auf Helmut Kohl

Paul Harper, 27 Jahre alt: Ich komme aus der Nähe von Manchester und lege hier für die Wohnungen der Parlamentarier Platten aus Naturstein. Hier in Berlin gibt es viel Arbeit. Wir sind nicht billiger als die Deutschen, aber wir sind schneller. Wir arbeiten 11 Stunden täglich, und die Qualität ist gut. Ich bin seit sechs Jahren in Deutschland. Hier arbeite ich erst seit fünf Wochen. Aber die Arbeit hier ist sehr dreckig. Ich würde auch lieber Journalist sein und in schönen Klamotten rumrennen. Es gibt bessere Arbeit in diesem Leben, als so etwas zu machen.

In England will ich nicht mehr arbeiten. Der Akkorddruck ist viel größer als in Deutschland. Allerdings haben die Engländer mehr Humor. Da vergeht der Tag schneller. Unser Architekt mit den Zeichnungen an dieser Baustelle ist lästig. Alles ist ganz genau eingezeichnet, viel zu präszise. Da gibt es beim Legen der Platten keine Toleranz. Vielleicht wird ja demnächst Helmut Kohl auf meinem Boden hier herum rennen. (lacht) Aber im Ernst: Deutsche Zeitungen lese ich kaum. Nur englische. Aber daß der Regierungssitz von Bonn nach Berlin verlegt worden ist, ist für uns klasse. Jetzt gibt es hier viel mehr Arbeit. Und das, was viele befürchten, daß Deutschland zu groß und stark wird, das glaube ich nicht. Dann wäre es doch wieder nur der nackte Krieg. Wir Engländer waren schließlich schon einmal mit unserem Militär hier. Ich finde es gut, daß die westlichen Länder jetzt Seite an Seite stehen. Doch noch besser wäre es, wenn die ganze Welt zusammen wäre. Ich habe nichts gegen Schwarze. Auch auf dieser Baustelle sind ein paar. Jeder kommt als Mensch.

Für mich ist es in Berlin sehr angenehm, genau wie in London eigentlich. Hier gibt es englisches Kino und englische Kneipen. Mit einem englischen Paß geht es einem hier nicht schlecht. England ist stark. Wenn man einen türkischen Paß hat, hat man es nicht so leicht. Meine Freundin ist Türkin. Das einzige Problem, das ich mit ihr habe: Sie ist zu teuer. (lacht). Just a joke.

Für 16 Mark Kaltmiete können die Bundestagsabgeordneten künftig die Wohnungen an der Joachim-Karnatz-Allee in der sogenannten Schlange in Berlin-Tiergarten beziehen. Von den Wohnungen werden die Volksvertreter einen freien Blick auf die Spree und in den Tiergarten haben. Aber neben den Singlewohnungen können auch ganze Familien von Bundesangestellten in den Komplex einziehen. Es wird auch 4-Zimmer-Wohnungen nebst Kindertagesstätte, Geschäften und Cafés geben. Die Schlangenform orientiert sich zur Sonne. In dem Bau gibt es keine Wohnung ohne Sonneneinstrahlung. Vom Preisgericht wurde der Entwurf unter anderem wegen „seiner spielerischen Gelassenheit“ gelobt und ausgewählt. Die Gesamtinvestitionskosten liegen bei rund 200 Millionen Mark. Annette Rollmann

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen