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Zoff zwischen Fischer und Trittin

■ Der Kosovo-Krieg sorgt bei den Grünen weiter für erbitterten Streit. Sogar im Kabinett haben sich der Außen- und der Umweltminister gestritten. Mit der Staatssekretärin Gila Altmann fordert jetzt das erste Mitglied der Bundesregierung einen Stopp der Nato-Angriffe

Frankfurt/Main/Hannover (AP/taz) – Der Kosovo-Krieg sorgt bei den Grünen für Zündstoff. Die zum linken Parteiflügel zählenden Spitzenpolitikerinnen Antje Radcke und Kerstin Müller verteidigten Außenminister Joschka Fischer zwar gegen wachsende innerparteiliche Kritik. Doch am Wochenende verlangte als erstes Mitglied der Bundesregierung die Grünen-Politikerin Gila Altmann offen einen Stopp der Nato-Angriffe. Dafür sprachen sich auch die Landesverbände von Niedersachsen und Brandenburg aus.

Vorstandssprecherin Radcke und Fraktionschefin Müller würdigten vor allem den von Fischer erarbeiteten deutschen Friedensplan. Radcke sagte in Kassel, der militärische Druck auf den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloevic müsse aufrechterhalten werden, um weiteres Blutvergießen im Kosovo zu vermeiden. Zugleich sprach sie sich aber für einen einseitigen Waffenstillstand der Nato in Gebieten außerhalb des Kosovos aus. In Bild am Sonntag sagte Radcke: „Die Stimmung in der Partei ist zunehmend schlechter.“

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium, Altmann, unterzeichnete einen Appell „Den Nato-Angriffskrieg gegen Jugoslawien sofort beenden!“ Darin heißt es: „Wir fordern die grünen Regierungsmitglieder und Bundestagsabgeordneten auf, ihre Unterstützung der abenteuerlichen Nato-Politik zu beenden.“ Altmann sagte der Bams: „Wenn ich die Eskalation des Grauens im Kosovo und die zahllosen Opfer sehe, ist für mich die sofortige Einstellung der Bombardierung und die Aufnahme von Friedensverhandlungen die einzige Alternative, um den Menschen sofort umfassend humanitäre Hilfe zukommen zu lassen.“

Unterdessen berichtet Bild am Sonntag von einem „schweren Zerwürfnis“ zwischen Außenminister Joschka Fischer und Umweltminister Jürgen Trittin. In der Kabinettssitzung vorige Woche, die Fischer anstelle von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) leitete, seien die beiden Spitzenpolitiker der Grünen heftig aneinandergeraten. Trittin habe nur kritische Fragen gestellt, zum Beispiel, ob die andauernden Nato-Bombardements Erfolg haben könnten. Fischer habe den Streit schließlich mit den Worten beendet: „Dieses Thema werden wir nicht weiterverhandeln, solange der Kanzler nicht da ist.“ Ein Kabinettsmitglied sagte: „Daß zwei Parteifreunde im Kabinett so aneinandergeraten sind, habe ich bisher noch nicht erlebt.“

Dreieinhalb Wochen vor dem Sonderparteitag betonte Fischer: „Entscheidend ist doch nicht, ob die Partei mir folgt oder nicht. Der Minister hat die persönliche Verantwortung.“ Dem Spiegel erklärte er weiter: „Es wird eine schwierige Debatte. Aber ich bin mir sicher: Die Grünen werden sich nicht zerlegen.“

Die niedersächsischen Grünen haben am Wochenende nahezu geschlossen ein sofortiges Ende der Nato-Bombardements verlangt. Die Landesvorsitzenden Hans-Albert Lennartz und Renée Krebs verlangten einen „Stopp der Bombardements und Aufnahme von Verhandlungen“. Die Bombardierungen erfüllten nicht das Ziel, die Vertreibungen im Kosovo zu stoppen. Der Nato-Angriff auf eine Flüchtlingskonvoi im Kosovo zeige, so Krebs, daß es keinen sauberen Krieg gebe. „Der begonnene Krieg führt nicht zum Erreichen der vor drei Wochen definierten Kriegsziele“, kritisierte auch die Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, Rebecca Harms. Die Grünen-Politikerin äußerte die Befürchtung, daß „aus einem verlorenen Luftkrieg ein Bodenkrieg wird“, den die Grünen niemals verantworten könnten. In einem von einer Reihe von Braunschweiger Grünen unterzeichneten offenen Brief wurde sogar der Rücktritt des „Kriegstreibers Fischer“ verlangt. J.K./ü.o.

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