■ Schröder schulmeistert die Nato-Kritikerin Gila Altmann: Mangelndes Selbstvertrauen
Jeder macht mal einen Fehler. Diesmal hat ihn Gila Altmann gemacht – so jedenfalls heißt es in der Sprachregelung der Bundesregierung. Aber keine Sorge: „Jedem Kabinettsmitglied wird ein Fehler verziehen“, sagte Schulmeister Schröder.
Nur was für einen Fehler hat die Umweltstaatssekretärin Altmann gemacht? Hat sie sich bei den Sommersmog-Grenzwerten verrechnet? Ein Dokument verschlampt? Nein, sie hat eine Meinung zum Kosovo-Krieg vertreten, eine abweichende.
Altmann unterschrieb einen Appell gegen den „Nato-Angriffskrieg“. Und weil in Zeiten des Krieges nicht mehr sein kann, was nicht sein darf, wird ihr „Widerspruch“ vom Kanzler im besten orwellschen Neusprech zu einem „Fehler“ umgedeutet.
Offenbar kann die Regierung in ihren eigenen Reihen kein offenes Wort vertragen. Statt sich mit Altmanns Kritik auseinanderzusetzen, wird sie abgetan. Stets mit dem Hinweis auf den Ernst der Lage. Doch das Gegenteil ist richtig: Gerade weil die Lage so ernst ist, muß jede Entscheidung wohlabgewogen sein – und das setzt eine tabulose Debatte voraus.
Selbst dem US-Magazin Newsweek ist das schon aufgefallen: Die deutsche Regierung habe sich von einer „Bande schwankender Amateure“ in einen „Haufen entschlossener Falken“ verwandelt, der „unbarmherzig Andersdenkende angreift“. Längst wird in Italien und den USA viel offener diskutiert.
Was denn haben Schröder und Fischer von Altmann zu befürchten? Sie ist ohnehin krasse Außenseiterin im Kabinett. Die merkwürdige Reaktion offenbart vor allem ein psychologisches Moment. Der Kanzler und sein Außenminister sind selbst in eine eiserne Fraktionsdisziplin eingebunden, die der Nato, vor allem der USA. Mehrfach haben sie ihre Grenzen gezogen bekommen: Schon zum Amtsantritt waren die Weichen auf Krieg gestellt. Auch Fischers Friedensplan wurde von Clinton abgemeiert.
Dabei könnten Schröder und Fischer die interne Kritik nutzen, um sich Freiräume offenzuhalten. Sowohl gegenüber der Nato als auch gegenüber den Grünen. Wer in seinen eigenen Reihen Vasallentreue fordert, macht sich selbst zum Vasallen. So offenbart die Reaktion auf die einsame Staatssekretärin vor allem fehlendes Selbstvertrauen. Ein zweiter Fehler, drohte der Kanzler, werde nicht verziehen.
Altmann meint, auch Regierungsmitglieder müßten eigene Ansichten vertreten können. Es wäre verheerend, wenn sich diese Einschätzung in Kriegszeiten als Fehler erweisen sollte. Matthias Urbach
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