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Der Unterschriftsteller

■ Gorlebener Tagebuchschreiber H.C. Buch arbeitet Auschwitz auf

Bekannt geworden durch seinen Gesinnungsaufsatz „Gorlebener Tagebuch“, in dem er den Herrschenden Saures gab, war Hans Christoph Buch später viel in Sachen Humanismus und Menschenrechte an den Brandherden der Welt unterwegs, auf den Spuren der Roten Khmer oder in Bosnien z.B. Dort kalauerte er: „Wie ein geplatzter Darm hat sich das Füllhorn der Zerstörung über Bosnien entleert.“

Kürzlich hat Buch nun einen Zwischenstopp bei Marcel Reich-Ranicki eingelegt, um seine an der Front gestählten literarischen Erkenntnisse praktisch anzuwenden. Gerade mäkelte die Heilige Literarische Einfalt an Thomas Bernhards „Auslöschung“, einer Haßtirade auf die Österreicher, herum (1986 erschienen, jetzt neu aufgelegt), da nahm sich Hans Christoph Buch den Mann ebenfalls zur Hühnerbrust: Früher hätte er Bernhard ja ganz toll gefunden, aber die erneute Lektüre hätte doch gezeigt, daß Bernhards ganze Kunst in ständiger Wiederholung und Übertreibung liege, und dieser Propagandamethode hätte sich auch schon Goebbels bedient.

Was ist das? Literaturkritik mit der Nazikeule? Was für ein Glück, daß es die Nazis gab. Buch wüßte sonst gar nicht, woher er seine ganzen schönen Vergleiche hernehmen sollte. Fragt sich nur, warum Reich-Ranicki einen einlädt, dessen literaturkritische Erkenntnisse sich quasi auf einem vorsintflutlichen Stand befinden. Pol Pots früherer Außenminister war da schlauer. Als Buch den Mann in ein Gespräch verwickeln wollte, um ihm die Maske der Biederkeit aber so was vom Gesicht zu reißen, lehnte der mit der klugen Begründung ab: „Wenn man die Tür aufmacht, kommen Fliegen herein.“

Unermüdlich ist Hans Christoph Buch also unterwegs, um als ehemaliger Achtundsechziger mehr als 50 Jahre danach doch noch Hitler zu besiegen und jedem ordentlich was auf den Kopf zu geben, der es wagt, wie Thomas Bernhard sozusagen als Reinkarnation des Jahrhundertböslings, sein freches Haupt zu heben. Kaum hatte Buch also Thomas Bernhard post mortem erledigt, betätigte er sich als Unterschriftsteller. Neben all seinen schriftstellerischen Versuchen kann er das am besten.

Unterschriftstellern tut Buch natürlich immer im höheren Auftrag, und zwar von Humanismus, denn Humanismus kommt immer gut an. In Bosnien plädierte er für eine militärische Intervention, und als Cohn-Bendit zu Führers Geburtstag ein Ständchen hielt und in der taz vom 20. 4. 1994 „Bomben auf Pale“ (den Regierungssitz der bosnischen Serben) forderte, da küßte er ihn voller Dankbarkeit. In diesem Sinne erging dann auch ein pompöser „Aufruf an die Regierungen Europas und die UN“ in vielen größeren Tageszeitungen. Darin plädierten Buchs Unterschriftstellerkollegen schon damals für „Luftangriffe“ – „unter möglichster Schonung von Menschenleben“. Hans Christoph Buchs Unterschrift fehlt da aus unerklärlichen Gründen, aber wahrscheinlich war er bloß nicht zu erreichen, weil er gerade wieder irgendeinem Völkermord auf der Spur war.

Unter möglichster Schonung von Menschenleben Luftangriffe anzuordnen, war von nun an die Obsession der schnellen intellektuellen Eingreiftruppe, der Hans Christoph Buch quasi als Spürhund für Auschwitz angehört, um Menschenrechte zu verteidigen, die man wiederum nicht mehr benötigt, wenn die „Menschenleben“ den Luftangriffen dann dummerweise doch zum Opfer fallen. Als die Nato am 24. März auch ohne UN-Mandat und „unter möglichster Schonung von Menschenleben“ begann, Jugoslawien in Schutt und Asche zu legen, da war für Hans Christoph Buch die Welt wieder in Ordnung. Die Guten bombardieren die Bösen.

Natürlich sind die Kollateralschäden nicht sehr schön, und auch die Perspektive, daß sich die „möglichste Schonung von Menschenleben“ als frommer Wunsch herausstellt, und das nicht erst, seit der Nato die Präzisionswaffen ausgehen, ist natürlich nicht sehr erfreulich; weshalb immer mehr Leuten langsam dämmert, daß die Nato-Bomben die Vertreibungspolitik nicht verhinderten, sondern beschleunigten.

Ein Fall für Hans Christoph Buch, der als Unterschriftsteller wieder an vorderster Front kämpft und mit den Kollegen aus dem Kreis der üblichen Verdächtigen an die westlichen Regierungen appelliert, „fest zu bleiben und der Erpressung durch das serbische Regime nicht nachzugeben“, die Luftangriffe weiter zu führen und den „Einsatz von Bodentruppen nicht prinzipiell auszuschließen“. Ein Tip, für den er bestimmt noch mal den Bundesverdienstorden kriegt.

Da hockt der Mann in seinem Bunker mit Stahlhelm und will endlich den totalen Krieg, d.h. Bomben und Bodentruppen, denn Auschwitz muß endlich wieder gutgemacht werden, und zwar an denen, die den Deutschen im Zweiten Weltkrieg am meisten zu schaffen gemacht haben. Da ist er sich mit Scharping völlig einig, denn schließlich sind beide Brüder im psychopathischen Geiste. Und während Scharping im Krisenkabinett wie Dr. Seltsam wirkt, macht Buch den Bomberpiloten, der glücklich erst ist, wenn er, auf einer Bombe sitzend, auf Belgrad hinabsegeln darf. Die hat Buch vorher eigenhändig mit der Aufschrift versehen: „Nie wieder Auschwitz“. Klaus Bittermann

Zu Bosnien kalauerte er: „Wie ein geplatzter Darm hat sich das Füllhorn der Zerstörung über Bosnien gelegt“

Nun will er endlich den totalen Krieg, schließlich muß Auschwitz endlich wieder gutgemacht werden

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