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Eisige Bürokratenposse

Ohne Aussicht auf Erfolg: Von einem, der auszog, um Eis am Osterbekkanal zu verkaufen, und an Hamburgs Ämtern scheitert  ■ Von Heike Dierbach

Endlich Sommer! Was liegt da näher, als sich an einen schönen Hamburger Kanal, zum Beispiel in Uhlenhorst, zu setzen – am besten mit einem frisch gekugelten Eis in der Hand. Aber wer macht wie immer all diesen Träumen einen Strich durch die Rechnung? Die deutsche Bürokratie. Genauer: Die Wirtschafts- und Ordnungsabteilung im Ortsamt Barmbek-Uhlenhorst. Dort arbeiten offenbar ausschließlich fanatische Eis-Hasser: Sie haben schon im vergangenen Sommer dem Studenten Ilhan Aydin das Aufstellen eines Eisstandes am Osterbekkanal verboten. Heute reicht der 42jährige erneut einen Antrag ein – ohne viel Aussicht auf Erfolg, weissagt Bezirksamtssprecher Peter Hansen.

Für ambulante Verkaufsstände, begründete die Behörde im Juni 1998 ihre Ablehnung, „gebe es keine besondere öffentliche Bedarfssituation“. Das mag ja für den vorigen Sommer durchaus gestimmt haben. Aber heute soll es 23 Grad warm werden. Außerdem gibt es in der Nähe des von Aydin geplanten Standortes an der Ecke Osterbekstraße/Weidestraße nur einen Eisladen! Uhlenhorst steht kurz vor dem Eis-Notstand. Aydin wollte das verhindern: Er beantragte im Juli 1998 beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Verfügung gegen das Bezirksamt, die aber abgelehnt wurde. Der Richter begründete, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, daß nur für „umherfahrende Eisverkaufswagen“ Sondernutzungserlaubnisse erteilt werden. Acht davon hatte das Ordnungsamt lockergemacht. Aber die mobilen Eiskommandos sind nie da, wenn man sie braucht!

Im übrigen, so der Richter weiter, könne Aydin sein Geld verdienen „durch Aufnahme einer bezahlten Arbeit, die ihm in Hamburg jederzeit möglich sein müßte.“ Aydin, der mit dem Eisstand vor allem den Unterhalt für seine achtjährige Tochter erwirtschaften will, erkennt darin einen „eklatanten Eingriff“ in seine Lebensgestaltung: „Ich möchte nun einmal selbständig arbeiten.“ Nebenbei greift die Entscheidung natürlich in unser aller Leben ein: Welchen Sinn hätte dies noch ohne Eis am Osterbekkanal?

Aber Aydin gibt nicht auf: Bei einer erneuten Ablehnung will er „wieder mit dem Gericht drohen“. Im Kampf um behördliche Genehmigungen ist er schließlich ein Veteran: Schon vor zwei Jahren stritt er erfolglos mit dem Bezirksamt Hamburg-Mitte um einen Grillstand auf dem Hansaplatz: „Ein bis zwei feste Stellen wollte ich dort einrichten“. Der Fall liegt derzeit noch beim Verwaltungsgericht.

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