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Frische Luft des Wettbewerbs

Hitzige Debatte in der Bürgerschaft über die Ausschreibung von Drogenhilfeprojekten  ■ Von Elke Spanner und Sven-Michael Veit

Nur zögerlich brachte der SPD-Fraktionsvorsitzende Holger Christier das Wort über die Lippen: „Es geht nicht um das, was die Opposition Filz nennt“, beteuerte er. Statt internen Muffs wehe in der Hamburger Sozialpolitik „die frische Luft des Wettbewerbs“ – auch in der Drogenhilfe. Nach einer Ende März erlassenen Richtlinie hatte Sozialsenatorin Karin Roth (SPD) die Trägerschaft einzelner Drogenhilfeprojekte öffentlich angeboten.

Der CDU-Abgeordnete Dietrich Wersich warf Roth in der gestrigen Debatte der Bürgerschaft vor, bei der Ausschreibung des „Drug-Mobil“ in Billstedt und von „Ragazza“ in St. Georg unmittelbar Einfluß auf das Bewerbungsverfahren genommen zu haben. Und sein Fraktionschef Ole von Beust meinte: „Es riecht nach Filz“. Die CDU-Abgeordneten glauben, daß Roth persönlich den Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) aufgefordert habe, gegen die freien Träger anzutreten – wobei sie selbst Aufsichtsratschefin des LBK ist. „Sie wollen kritische Träger disziplinieren und durch behördennahe ersetzen“, warf Wersich der Senatorin vor.

Die Angegriffene beteuerte, daß ihr das fernliege. Ausschreibungen seien „die Voraussetzung für Transparenz, Vielfalt und Chancengleichheit“. Das Ausschreibungsverfahren, in dem bislang 22 Bewerbungen für sechs Drogenprojekte eingegangen seien, werde in diesem Monat von den Fachämtern der BAGS abgeschlossen werden. Danach werde alles „mit lückenloser Dokumentation öffentlich gemacht“. Ende März hatte Roth die neue Dienstvorschrift erlassen. Infolge des Filzskandals um ihre Amtsvorgängerin Helgrit Fischer-Menzel (SPD) habe sie das System reformieren wollen, nach dem Geld an soziale Einrichtungen vergeben wird. Das wurde bisher hinter verschlossenen Bürotüren ausgemauschelt. Nun eben soll die Trägerschaft für soziale Projekte grundsätzlich ausgeschrieben werden.

Und da liegt der Hase im Pfeffer. Denn die Vorschrift enthält einen Katalog an Ausnahmetatbeständen. Nicht nur der CDU ist aufgefallen, daß im Bereich der Drogenhilfe ausgerechnet die Projekte derjenigen Träger in der Zeitung angeboten wurden, die in der Vergangenheit Kritik an der Politik der Senatorin geäußert hatten. Insbesondere beim „Drug-Mobil“ in Billstedt und der Hilfseinrichtung für Mädchen und Frauen „Ragazza“ war die Ausschreibung als Gängelung empfunden worden. Das „Drug-Mobil“ wird von „freiraum“ getragen, dem Verein, der auch den „Fixstern“ im Schanzenviertel betreibt und mit der Senatorin im Clinch über Öffnungszeiten, Druckplätze und Personalstellen liegt. Nach fünf Jahren auf beengtem Raum sollte das „Drug-Mobil“ nun endlich feste Räume bekommen. Und „Ragazza“ war von der BAGS selbst aufgefordert worden, einen Gesundheitsraum anzudocken. Daraufhin war das Projekt auf die Suche nach größeren Räumen gegangen – und hatte sich darüber mit der Behörde gestritten.

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