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Champions League vor Geisterkulisse

■  Weil das Berliner Olympiastadion keine Schalensitze aufweisen kann, will die Uefa am Champions-League-Qualifikanten Hertha BSC ein Exempel statuieren. Damit setzt sich die Pleiten-Pech-und-Pannen-Serie des Senats um die 580 Millionen Mark teure Sanierung der Sportarena fort

76.000 Zuschauer waren gekommen, um am letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga die Hertha zu feiern. Und der Berliner Traditionsverein hat es seinen Fans gedankt. Mit 6:1 fegten die Herthaner den Hamburger SV vom Platz und krönten damit ihre Leistung in dieser Saison, die nicht nur den dritten Tabellenplatz, sondern auch die Qualifikation zur Champions League brachte.

Doch genau diese Champions League liegt den Herthanern, aber auch den Berliner Sportpolitikern derzeit arg im Magen. Stein des Anstosses ist – wieder einmal – das Berliner Olympiastadion. Sollten die Herthaner nämlich bei den entscheidenden Qualifikationsspielen am 11. und 25. August den begehrten Startplatz in der europäischen Meisterliga erreichen, könnte es sein, daß die Millionentruppe um Michael Preetz vor einer Geisterkulisse auflaufen muß. Grund dafür sind die Bedenken, die die Klub-Wettbewerbsabteilung des Europäischen Fußballverbandes (Uefa) gegenüber der Ausstattung des Olympiastadions hat. Zwar hat die 1936 eingeweihte Arena durchweg Sitzplätze.

Die von der Wettbewerbsabteilung geforderten Schalensitze kann sie aber nicht aufweisen. Grund genug für den Leiter der Uefa-Abteilung, Thomas Kurth, keine Zweifel an der Einhaltung der Vorschriften zu lassen. „Wir akzeptieren ausschließlich Schalensitze. Darauf haben wir bereits vor acht Jahren hingewiesen und damit eine Reduzierung der Stehplätze auf 20, zehn bis jetzt null Prozent durchgesetzt“, so Kurth.

Gestern jedenfalls betonte Kurth, daß es für die Champions League keine Ausnahmegenehmigungen mehr geben werde. „Solche Genehmigungen hatten wir zuletzt für Projekte, die mindestens 1998 in Angriff genommen werden mußten“, erklärte der Uefa-Verantwortliche. Seitdem kursieren in der Hauptstadt bislang allerdings noch nicht bestätigte Gerüchte, daß Kurth die Stadionkapazität auf 20 Prozent, also 15.000 Zuschauer beschränken wolle. Kurth bezeichnete es als schwierig, wenn „ein Land, das sich als Fußballnation bezeichnet, Ausnahmegenehmigungen beansprucht, die sie anderen zuvor nicht zugestanden hat“.

Für die Herthaner, die mit einem Zuschauerdurchschnitt von 52.000 in der abgelaufenen Saison den dritten Platz in der Gunst ihrer Fans belegen, wäre dies ein herber Schlag. Daß ein Ausweichen auf andere Stadien wie etwa das Niedersachsenstadion in Hannover nicht in Frage kommt, haben die Hertha-Verantwortlichen bereits unterstrichen. Vor allem der Berliner Senat sucht deshalb dringend nach einer Lösung für das Problem. Nach Auskunft von Berlins Sportstaatssekretär Klaus Löhe ist eine kurzfristige Umrüstung mit Schalensitzen für rund sechs Millionen Mark möglich. Die Kapazität von 76.000 Plätzen wäre dann keinesfalls mehr zu erreichen.

Die Sitze sollten nach der Sanierung weiter Verwendung finden. „Berlin wird sicherstellen, daß Hertha in der Champions League im Olympiastadion spielen kann“, erklärte Löhe. Doch die Zeit drängt. Bereits am 29. Juni, so betonte die Uefa, müsse eine definitive Entscheidung für die ungeklärten Stadionfragen gefunden werden.

Hertha-Pressesprecher Hans-Georg Felder befürchtet bereits, daß die Uefa Berlin „einen Denkzettel verpassen will“. Schon vor Jahren seien Inspektoren in Berlin gewesen und hätten Auflagen gestellt. „In den zurückliegenden Jahren hat sich aber nichts geändert. Die nun zu erwartenden Uefa-Auflagen würden alle Befürchtungen weit übertreffen“, sagte Felder gestern.

Als „mehr als peinlich“ bezeichnete Felder das Gezänk zwischen Bund und Senat über die Finanzierung der rund 580 Millionen Mark teuren Stadion-Sanierung. „Es ist der Gipfel, daß jetzt plötzlich der Neubau eines Stadions wieder ins Gespräch kommt“, erklärte Felder, nachdem das Auswahlverfahren für den künftigen Betreiber offensichtlich nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat.

Nachdem sich der Senat bereits Anfang des Jahres auf die Sanierung des Olympiastadions nach den Entwurfen des Hamburger Architektenbüros Gerkan, Marg und Partner festgelegt hatte, sollte in einem nachfolgenden Investorenauswahlverfahren die Finanzierbarkeit dieser Sanierung geklärt werden. Dabei haben aber alle sechs beteiligten Investorengruppen erklärt, daß die jeweils vom Land und Bund zugesagten 100 Millionen Mark nicht reichten. Eine Lücke von 380 Millionen Mark sei auch für private Investoren nicht zu finanzieren.

Auf der heutigen Sitzung des Berliner Senats soll deshalb nicht, wie ursprünglich vorgesehen, die Entscheidung für eine der Investorengruppen verkündet, sondern lediglich über den Stand des Verfahrens berichtet werden.

Diese Verzögerung hat sowohl DSB-Präsident Manfred von Richthofen wie auch den Berliner Fußball-Präsidenten Otto Höhne als Kritiker auf den Plan gerufen. Von Richthofen sprach von „unzumutbarer Verzögerungstaktik und schlampiger Bearbeitung“ durch den Senat, Höhne von einer „Gefährdung der Berliner Bewerbung um die WM 2006“. Uwe Rada

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